„Da bin ich ganz fatalistisch“

Die „WiB-Schaukel“ ist das originellste Gesprächsformat im deutschen Fernsehen. Grund genug, Wigald Boning einmal so zu interviewen, wie er selbst es mit seinen prominenten Gästen macht. Die Sendung läuft jeden Samstag ab 0.00 Uhr im ZDF

Interview HEIKO DILK

Wir treffen heute also Wigald Boning, leider nur telefonisch. Den Mann also, der lange Zeit der Kleine mit den bunten Anzügen bei „RTL Samstag Nacht“ war. Dann war lange nichts von ihm zu hören, bis irgendwann die „WiB-Schaukel“ auf sun-tv anlief: Boning trifft mehr oder weniger Prominente und interviewt sie auf seine recht unorthodoxe Weise, während er mit ihnen durch die Gegend streift. Dann hat das ZDF die „WiB-Schaukel“ gekauft und glücklicherweise alles so gelassen, wie es war.

Boning also, der lustige Kauz, von dem man aber eigentlich – zumindest dann, wenn er selbst irgendwo zu Gast ist – immer den Eindruck hat, dass er eigentlich viel ernsthafter ist, als es sein Image nahe legt.

taz: Die „WiB-Schaukel“ ist zwar oft lustig, vom Wesen her aber eher ein journalistisches Format, obwohl Sie doch als Komiker bekannt geworden sind?

Wigald Boning: Ja, ich glaube auch. Das ist durchaus eine ernsthafte Dokumentation des Kennenlernens zweier Leute.

Und dafür bekommen Sie mittlerweile auch noch eine gute Presse …

Es gibt sehr wenige Artikel, aber die Mehrzahl ist lobend, das stimmt.

Haben Sie Angst dass die „WiB-Schaukel“ zu populär wird?

Nein, habe ich nicht. (Da ist es, dieses hehehe, sein typisches Lachen, das verschmitzt wirkt und sich entweder über die Jahre verselbstständigt hat oder vielleicht doch ganz natürlich ist.) Ich bin da absolut fatalistisch. Ich habe nur das Vorhaben, diese Sendung so lange zu machen, wie es irgend möglich ist. Und da ich weiß, dass sich die Zeit des Abstiegs einer Fernsehidee proportional verhält zur Zeit ihres Aufstiegs, ist mir ja daran gelegen, dass man dem Höhepunkt möglichst langsam näher kommt.

Die Theorie ist nicht schlecht und spricht natürlich für die „WiB-Schaukel“, die Jahre gebraucht hat, um ins ZDF zu kommen und dort auch nicht von Anfang an auf einem Null-Uhr-Sendeplatz lief.

In der Sendung sind Sie ja einen kompletten Tag mit den Menschen zusammen, ist das nicht manchmal anstrengend?

Das kann in der Tat sehr anstrengend sein, und das macht auch den Reiz der Sendung aus, weil das dem Publikum ja nicht verborgen bleibt. Viele Leute, die im Fernsehen auftreten, sind ja gewohnt, sich vielleicht mal so zwei Minuten zu konzentrieren, oder vielleicht mal fünf Minuten. Das ist bei uns natürlich schon etwas anderes. Jeder, der schon mal im Zug saß und im Abteil ein Gespräch führen musste, der weiß, dass das nach sieben Stunden dann doch langsam …

Sie dokumentieren das ja auch durch Einspielungen aus dem Off, wo Sie sich beispielsweise die nächste Frage überlegen, oder sagen, dass Sie das Gefühl haben, ein Thema langweilt Ihren Gesprächspartner. Wo kam da die Idee her?

Ich hab mal irgendeine Serie gesehen, eine lustige mit Männern, britisch, ich habe vergessen, wie die heißt, und plötzlich wurde der Film angehalten, und dann begann dieser Off-Text. Das ist aber keine bahnbrechende Innovation. Dazu kam – ich bin ja mittlerweile auch schon 36 –, dass ich merke, da kommen erste Konzentrationsstörungen auf mich zu und meine Schlagfertigkeit lässt auch langsam nach. Das ist bei der „WiB-Schaukel“ perfekt, weil sich einfach Gesprächspausen ergeben, die man dann füllen kann, und alle sind zufrieden.

Wenn man aufschreiben würde, was Sie im Fernsehen machen, käme wohl so etwas ähnliches wie die „100 Fragen“ von Moritz von Uslar im SZ-Magazin heraus?

Ja, so ein bisschen, da wird natürlich viel mehr kommentiert. Wir hatten sogar schon mal überlegt, bei Uslar abzukupfern, und sozusagen jede einzelne Frage zu kommentieren, um zu sehen, wie weit man kommt, ohne, dass es langweilig wird, aber das ist für uns nicht wirklich effizient, weil wir dann unglaublich viel Off-Text schreiben müssten. Aber das ist ein sehr schönes Print-Format, ich lese das gerne.

Das mit dem Abkupfern klingt jetzt irgendwie ausgedacht, aber egal. Ob er das wohl auch hier gerne liest, wenn er selber befragt wird?

Das ist doch etwas riskant, schließlich kann man dem gesamten Gespräch so eine völlig andere Richtung geben.

Für jemanden, der unter Kontrollzwang leidet – gibt ja so Kollegen, die selber ungern die Fäden aus der Hand geben – ist die Sendung nicht geeignet. Man begibt sich da schon so ein bisschen in meine Hände (wieder: hehe). Aber ich versuche auch, das Vertrauen nicht allzu sehr zu missbrauchen. Eigentlich hatten wir oft selber den Eindruck, nachdem wir die Sendung gemacht hatten, dass derjenige jetzt böse ist. Rolf Eden ist so ein Fall. Da haben wir gedacht: uii. Aber, wie ich jetzt weiß, von Angestellten von ihm, hat ihm die Sendung ganz ausgezeichnet gefallen. Er sagt, so schön ist er noch nie im Fernsehn dargestellt worden. (hehehe) Bei Ralf Siegel war es genau dasselbe. Wir hatten sogar mit ihm vereinbart, dass er den Film freigeben muss. Als wir dann mit dem fertigen Film zu ihm fuhren, da hatte ich wirklich die Hosen voll. Ich hatte Angst, dass wir mit einem Arschtritt vor die Tür befördert werden, aber, im Gegenteil, er fand das auch ganz ausgezeichnet. Vielleicht spricht das für seine Professionalität (hehehe). Danach wussten wir, wir müssen die Filme unseren Gästen nicht mehr vorlegen, wenn selbst Ralf Siegel sich gut gefiel, dann kann es niemand anders geben, der Probleme damit hat. (ergiebiges hehehe)

Gehen Sie oft mit einer anderen Meinung über Ihren Gast in ein Gespräch als sie hinterher rauskommen?

Ja, das ist bisher immer der Fall gewesen. Das ist interessant, weil man dabei viel über die eigenen Vorurteile lernt. Bei Andreas Elsholz beispielsweise hatte ich eher ein negatives Vorurteil. Dann stellte ich aber fest, dass ein Großteil des Eindrucks (hehehe), den er hinterlässt, mit seiner Sprechgeschwindigkeit zu tun hat, vor allem aber mit dem Kontext, in dem er auftaucht, nämlich bei „GZSZ“. Der ist aber in Wirklichkeit ganz pfiffig. Er hat sehr viel über das Sortiment bei Aldi erzählt und erwies sich als ausgesprochen firm. Ich bin da bisher immer erstaunt worden, im Positiven wie im Negativen.

Mit Gesprächen über Aldi kann man also Eindruck bei Boning machen …

Ihre Gäste sind meist nicht die aktuell angesagtesten Stars, sondern Leute, die alle Höhen und Tiefen kennen – genau wie Sie. Kommt daher Ihre Vorliebe?

Ja, in der Tat. Da ich daraus auch gar keinen Hehl mache, fühlen sich vielleicht Leute in dieser Sendung gut aufgehoben, die sonst daran gewöhnt sind, dass man die Täler öffentlich gerne verschweigt.

Das reicht zu dem Thema. Jetzt die große Frage, einfach gerade heraus und überraschend:

Wann kommt eigentlich Dieter Bohlen zu Ihnen?

Die Frage freut ihn hörbar.

Den haben wir schon einige Male angefragt, aber ich glaube, wir können ihn nicht bezahlen.

Ach, der will Geld haben?

Der will sogar sehr viel Geld haben.

Wie viel? Wird er sicherlich nicht verraten, aber fragen kann man ja.

Das habe ich gar nicht im Kopf, aber eine andere Summe kann ich nennen: Ich war bereit, 500 Euro privat draufzulegen.

Das hat nicht gereicht?

(hehehe) Nein, das sind, glaube ich, nicht mal … Nein, das sind nicht mal 10 Prozent von dem, was er haben wollte. Schade. (Von wegen, er hat die Summe nicht im Kopf.) Aber ich hoffe, dass ich ihn noch mal überzeugen kann. Und zwar aus einem ganz bestimmten Grund: Er ist nämlich Oldenburger genau wie ich. Ich würde gerne Oldenburg mit ihm besuchen, als den Ort, an dem alles begann. Außerdem kennen sich sein Papa und mein Papa, und da gäbe es so allerhand obskure Anknüpfungspunkte.

Also: Bitte, lieber Herr Bohlen, treffen Sie sich doch mit dem Wigald Boning in Oldenburg! Wir würden das wirklich gerne sehen.

Jetzt aber die Intimitäten, das homoerotische an der Sendung:

Komischerweise werden Sie am Ende der Sendung oft von großen, schweren Männern umarmt. Roberto Blanco oder Gunter Gabriel zum Beispiel …

Na ja, also Gunter Gabriel, der mochte mich, während das bei Roberto Blanco wohl was anderes war. Ich könnte das jetzt interpretieren, aber im Grunde sieht man das als Zuschauer, glaube ich. Wie nennt man das? Ich glaube, man nennt das Übersprungshandlung.

Das glaubt er nicht, da ist er sich ziemlich sicher.