: Jetzt aber schnell in die Schule
Nach siebenjähriger Bastelei beschließt das Parlament heute endlich das neue Schulgesetz. Kinder sollen künftig mit fünfeinhalb Jahren eingeschult, das Abi soll nach zwölf Jahren möglich werden
von ANNA LEHMANN
Es ist wohl eines der am längsten diskutierten Gesetze, die je im Abgeordnetenhaus vorlagen: Heute werden die Abgeordneten wohl endlich das neue Schulgesetz durchwinken, das dann schon – wie von der rot-roten Koalition gewünscht – um 1. Februar in Kraft treten kann. Wichtigste Punkte sind die frühere Einschulung der Kinder bereits mit fünfeinhalb Jahren sowie die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur von 13 auf 12 Jahre.
Das Ganze hat eine lange Vorgeschichte: Vor fast genau sieben Jahren verließ der Entwurf das Büro der damaligen Bildungssenatorin Ingrid Stahmer (SPD), wanderte quälend langsam durch Ausschüsse und Gremien. Erst nach dem Jahr 2001, in dem deutsche Schüler vernichtend schlecht in der Pisa-Studie abschnitten, zog das Tempo der Gesetzwerdung auf wundersame Weise an. Zum Schluss konnte es plötzlich nicht schnell genug gehen: Die Koalition zog die Verabschiedung gar 14 Tage vor, um es noch vor dem zweiten Schulhalbjahr zu schaffen.
Der Gesetzestext selbst mahnt ebenfalls zur Eile: Kinder, die künftig also schon mit fünfeinhalb die Bank drücken, dürfen nur noch ausnahmsweise sitzen bleiben. Die Schulverwaltung soll ein Konzept entwickeln, um die Schulzeit bis zum Abi auf 12 Jahre zu verkürzen.
Das Gesetz soll zudem, heißt es in der Einleitung, die Chancengleichheit zu verbessern und die Qualität der Lehre verbessern. Hehre Ziele, die Experten aus der Praxis durchaus kritisch sehen (siehe Interview).
Für die Lehranstalten bedeutet das Gesetz mehr Eigenständigkeit und Wettbewerb: Ihre Lehrer können sie eigenverantwortlich aussuchen, Budgets für Lehrmittel ebenso verwalten und sich ein deutlicheres Profil geben – Schwerpunkte und Ziele muss jede Schule per Programm festlegen. Die Lehrqualität sollen schulexterne und -interne Kommissionen überwachen.
Auch Eltern und Schüler werden an Berlins neuen Schulen mehr zu sagen haben: Sie erhalten in der Konferenz, dem obersten Schulgremium, künftig ein Drittel statt wie bisher ein Viertel der Stimmen.
Tom Stryck, Leiter des Referats für Schulentwicklung in der Bildungsverwaltung und von Beginn an mit dem Gesetz beauftragt, ist zufrieden: „Die wesentlichen Kriterien des ursprünglichen Entwurfs, größere Autonomie- und Mitspracherechte, werden umgesetzt.“ Weniger wohlwollend urteilt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Im Ansatz ist er positiv, in den Details aber rückständig“, erklärt Thomas Isensee von der GEW. Als Beispiel nennt er die Festschreibung des dreigliedrigen Schulmodells aus Haupt-, Realschule und Gymnasium. Der Gesetzesentwurf zementiere dieses Selektionsinstrument, indem er festschreibe, dass jede Schule ihren Schülern nur das Bildungsziel der jeweiligen Schulart vermitteln solle. Das widerspreche dem Ziel der individuellen Förderung, so Isensee.
Harsche Kritik kommt von den Bildungsexperten der Opposition – jeweils passend zum Parteiprogramm: Die in Aussicht gestellten Sprachkurse seien weder personell noch finanziell unterfüttert (Öczan Mutlu, Grüne), das Zusammenziehen der Klassen 1 und 2 in der Schuleingangsphase sei ein Rückschritt in die Dorfschule (Uwe Götze, CDU), die versprochene Eigenverantwortung scheitere am fehlenden finanziellen und personellen Spielraum (Mieke Senftleben, FDP). Entsprechend wollen die Oppositionsparteien den Entwurf heute ablehnen.
Das Gesetz wird das bisher geltende aus dem Jahre 1980 ablösen, welches im Wesentlichen noch auf dem Nachkriegsgesetz von 1952 beruht.