Resignierte Dokumentare

Vom Versuch, die selbst gewählte Verpflichtung, im Fremden Typisches zu finden, aufzubrechen: Werke der zehn Stipendiaten des Jahres 2002 im Kunsthaus

Kunst in Zeiten der Orientierungslosigkeit. Künstler, die systematisch Verortung erschweren: Vielleicht sind die Werke der 2002 bedachten zehn Stipendiaten, derzeit im Kunsthaus präsentiert, authentische Kartierungen ideologischer Schwerelosigkeit und allgemeinen Identitäten-Hoppings.

Ablichtungen und Karten fremder Orte dominieren die Schau, die Dörte Hausbeck etwa mit aus eigenen Fotos herausgetrennten Landschaftsrudimenten bestückt hat. Disneylandgleich aufgebläht, hat sie ihre Wintertannen-Landschaft an die Wand gepappt, deren Silhouette einen subtilen Dialog führt mit der kahlen Wand und die mit der unendlichen Verschiebbarkeit visueller Elemente spielt.

Rudimentäre Informationen bezüglich des Aufnahmeorts liefert auch Alexander Rischer zu seiner Serie ehemals kultischer Türme. Ihn interessiert vor allem die merkwürdig hilflose Sigle, die historische Gebäude in der inzwischen gewandelten Kulturlandschaft darstellen: Wozu ist er gut, der weiße Turm zwischen bürgerlichen Bungalows? Wem dient sie noch, die mittelalterliche Stadtmauer-Ruine, vor der ein rostender Trabi parkt?

Und warum unterschlagen Daniel Maier-Reimers Aufnahmen konsequent das „Charakteristische“ von Orten, – etwa, wenn er eine beliebige Wasseroberfläche als Japanisches Meer bezeichnet? Ein spöttisches Spiel mit dem, was man für typisch halten möchte, spielt der Künstler, der den Besucher nicht aus der (selbst gewählten, paranoiden?) Verpflichtung entlässt, im Fremden das Besondere zu finden.

Stark vertraut – auf Landschaftsmalerei des 18. Jahrhunderts anspielend – geben sich dagegen die Baum- und Parkaufnahmen Beate Gütschows, irritierend perfekt konstruiert. Und wenn man nicht wüsste, dass Gütschow hierfür Einzelfotos übereinander blendet, man erriete nicht, wo der Haarriss zwischen fast-plausibel und schon-gekünstelt verläuft.

Eine weitere – methodisch nicht neue, im Detail aber originelle – Variante, Vertrautes zu verfremden: die Überprüfung von Bekanntem anhand neuer Kriterien. Den Düsseldorfer Hofgarten hat – abermals – Daniel Maier-Reimer kartiert, und zwar „hinsichtlich der Bedingungen, im Freien eine ruhige Nacht zu verbringen“. In gepflegte und vermüllte Areale hat der Künstler den großen Park eingeteilt und ist unversehens bei einer fast bürgerlichen Sauberkeits-Skala angekommen. Vielleicht sind sie einander doch nicht so fern, die gesellschaftlichen Antipoden ...

Die Stärke solcher Exponate liegt ohne Zweifel in der Mixtur von Blickverschiebung und Dokumentaton. Und doch bleiben sie merkwürdig kontemplativ dem Status Quo verhaftet und irritieren durch eisig erstarrte Resignation. PETRA SCHELLEN

weitere Stipendiaten 2002: Michael Hakimi, Ali Hashemi, Karin Missy Paule Haenlein, Miron Schmückle, Jan Timme, Mark Wehrmann. Di–So 11–18 Uhr, Kunsthaus, Klosterwall; bis 9. März