Schwärmen in der Natur

So war‘s: von Dohnanyi und das NDR Sinfonieorchester

Als der Dirigent Christoph von Dohnanyi den Hamburger Intendantenposten aufgab und sich für die Chefposition beim Cleveland Orchestra entschied – die er von 1984 bis 2002 innehatte – verband er seinen Weggang mit lautstarken Äußerungen über die Beamtenmentalität der deutschen Staatsorchester und die miserable Ausbildungssituation an deutschen Musikhochschulen. Nun kommt er zurück, wird ab 2004 Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters. Am Freitag gab von Dohnanyi beim Meisterkonzert in der Glocke einen Vorgeschmack auf seine Arbeit mit seinem künftigen Orchester.

Begeisterung, Schwung und Virtuosität sind dem Orchester für die Wiedergaben der dritten und der ersten Sinfonie von Johannes Brahms zu bescheinigen. Dohnanyis Interpretationsstil ist ohne Pathos, klar, analytisch übersichtlich, bis zu fast schneidiger Unterkühlung.

Brahms’ Verunsicherung, nach Beethoven noch (oder wieder) Sinfonien zu komponieren, fließt ein in die Struktur der ersten Sinfonie des 29-Jährigen: Das berühmte Apotheosenthema des letzten Satzes ist lange da, bis es sich entschließt, wirklich aufzutreten. Das war wunderbar herausgearbeitet bis zu einer fulminanten Stretta. Überzeugend auch die strukturelle Durchhörbarkeit der motivischen Verzahnungen.

Mit der lyrischen Dritten hingegen, deren langsamen Satz Clara Schumann als „ein Schwärmen und Flüstern in der Natur“ bezeichnet hatte, konnte Dohnanyi weniger anfangen: Da fehlte es an poetischem Zauber und vieles kam recht steif daher. Die zahlreichen „dolce“ und Pianissimo wurden durch ein unspezifisches Mezzoforte zunichte gemacht. Die Rückkehr von Dohnanyi, der sich vor allem auch für die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts stark macht, ist auf das Wärmste zu begrüßen, wie auch der überherzliche Beifall zeigte.

Ute Schalz-Laurenze