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Archiv-Artikel

Heiße Torszenen unter flammendem Flutlicht

Die Vorbereitungen für die Kreuzberger 1.-Mai-Festspiele haben begonnen. Ein Jugendklub plant ein hoch dotiertes Fußballturnier, um krawalllüsterne Migranten-Kids anzulocken. Das Endspiel wird zur besten Randalezeit angepfiffen

Einen Moment sah es so aus, als ob die friedliche Stimmung bei dem Treffen im Kreuzberger „Familiengarten“ kippen würde. Grund war die Farbe des T-Shirts, das am kommenden 1. Mai von möglichst vielen Besuchern des Straßenfestes als Ausdruck des Protestes gegen Krawall und Gewalt getragen werden soll. „Wir haben uns für gelb entschieden“, verkündete ein Mitglied der Fest-Vorbereitungsgruppe. Ein empörtes Raunen ging durch den Raum. „Gelb? Seid ihr irre?“, rief eine Frau. Ausgerechnet Gelb. Die Farbe der FDP. „Das ist doch abartig“, nickten andere. Niemand trage freiwillig Gelb. Eine Abstimmung – „Wer von euch würde ein gelbes T-Shirt anziehen?“ – wurde gefordert. Über 50 Leute waren im Raum. Ein einziger Finger ging hoch. „Wir sind doch noch ganz am Anfang“, bemühte sich die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer (PDS), die Wogen zu glätten. Die Farbenfrage sollte nach der Sitzung in einer Kleingruppe geklärt werden.

Es ist mal wieder so weit. Zu glauben, dass die 17-jährige Kreuzberger Randaletradition 2004 durchbrochen wird – so blauäugig ist niemand. Aber es gibt Mittel und Wege, etwas zur scheibchenweisen Befriedung der Verhältnisse zu tun. Das hat der 1. Mai 2003 gezeigt. Je früher die Vorbereitungen beginnen, um so besser, weiß Bezirksbürgermeisterin Reinauer, die interessierte Kreuzberger am Mittwochabend in den Famliengarten geladen hatte, aus Erfahrung.

Ausgehend von der Idee des FU-Professors Peter Grottian, den 1. Mai friedlich zu repolitisieren, will Reinauer wie im Vorjahr zusammen mit einer Initiative von Anwohnern, Geschäftsleuten und Sozialprojekten ein gigantisches Kulturprojekt organisieren. 2003 waren 20.000 Besucher zu dem Fest gekommen. Am Abend zettelte eine Gruppe von Jugendlichen zumeist türkischer und arabischer Herkunft zwar wieder die Randale an. Auch wenn ein Autohaus zu Bruch ging und wieder Pkws brannten, war im Vergleich zu den Vorjahren ein deutlicher Fortschritt zu verzeichnen gewesen: Wenige Meter von den Brennpunkten entfernt standen die Leute zusammen und feierten friedlich, ohne von der Polizei vertrieben zu werden.

Die Zeichen stehen günstig, dass es diesmal ähnlich oder besser wird. 2003, erzählt Bürgermeisterin Reinauer, habe sie bei den Kreuzbergern noch mühsam für die Initiative werben müssen. Diesmal reichte ein Flyer der Vorbereitungsgruppe, am Mittwochabend den Familiengarten zu füllen. Es war das erste Treffen, die Mehrzahl der Teilnehmer war 40 Jahre und älter.

Neben den gastronomischen Standards soll es wieder ein großes Kulturprogramm geben. Mit einer ganz neuen Idee rückte der Filmemacher des Jugendfreizeitheims Naunynritze, Neco Celik, ein gebürtiger Türke, heraus. Celik und seine Kollegen möchten in den Fußball-Käfigen von SO 36 die randalelüsternen türkischen und arabischen Gangs bei einem Turnier aufeinander loslassen. „Da unsere Jugend fußballgeil und arbeitslos ist, soll es um Geld gehen, und zwar um eine vierstellige Summe“, so Celik. Vorausgesetzt, vom Finanzsenator kommt Geld. „Die Jugendlichen, die einen Harten schieben wollen“, so Celik, „sollen ihn um den Platz herum schieben können.“ Schiedsrichter sollen junge Erwachsene sein, die für die Kids von früher her ein Vorbild seien. Die verschiedenen Austragungsstätten sollen miteinander in Funkkontakt stehen, vom Turnier soll ein Film gedreht werden. Eine gute Zeit für den Beginn des Endspiels sei 19 Uhr, meint der Sozialarbeiter. Also dann, wenn normalerweise der Krawall beginnt.

Auch die Polizei hatte in den Familiengarten einen Vertreter entsendet. Man werde die Strategie größtmöglicher Zurückhaltung beibehalten, versprach Polizeidirektor Stefan Weiß. Bleibt nur noch die Frage nach der Farbe des Anti-Krawall-T-Shirts. Knallrot mit dem Aufdruck „Myfest 2004“ in weißen und schwarzen Lettern, entschied die Kleingruppe. PLUTONIA PLARRE