angesehen
: Wortfindungsstörungen

Der Kölner Karnevalist Ignaz Lehmann sitzt in U-Haft – die Steuerfahndung. Aber heißt er nicht eigentlich Lachmann, war Nazi und an Massakern in Polen beteiligt? Der, der sich diese Frage stellt, heißt Zuckermann und ist Jude. Er besucht Lehmann, stellt sich als Moritz vor und nennt keinen Grund für seinen Besuch. Lehmann, zunächst irritiert, findet Gefallen am Gespräch, spürt unbestimmte „Schwingungen“. Zu dumm nur, dass ihm oft einfachste Wörter nicht einfallen!

Harmlose Wörter wie „Rampe“, „Rauch“ oder „Dusche“. Moritz rät, solche Wörter aufzuschreiben und wie Vokabeln zu lernen. Immer neue Wörter tauchen auf – Schlüsselwörter zu einer Vergangenheit, die Lehmann komplett vergessen hat. Zuckermann hilft bei den Wortfindungsstörungen, während Lehmann sich um Kopf und Kragen redet, Alpträume bekommt und sich selbst fragt, ob er nicht irgendwann mal Lachmann hieß...

„Lehmann und Zuckermann“ heißt die inszenierte Lesung des Stücks von Gertrud Seehaus im Kölner Theater Tiefrot. Regisseur Josef Tratnik, der auch den Zuckermann spielt, setzt darin auf die Macht des Suggestiven: schwarz, weiß und grau Bühne und Kostüme, farbig nur die Vergangenheit auf gelbem Notizblock. Zwischen den Szenen absolutes Dunkel, durchbrochen von beklemmender Musik (Jonas Körfer). Josef Tratnik und Axel Gottschick bringen echte Emotionen in den thematisch dichten und sehr programmatischen Text: Jeder Satz ein Pamphlet gegen das Vergessen, doch die Schauspieler tragen die bedeutungsschweren Inhalte so authentisch und lebendig vor, dass der Abend in jeder Sekunde spannend bleibt.

„Lehmann und Zuckermann“ ist der Auftakt zur Veranstaltungsreihe „Erinnerung – Gerechtigkeit erhöht ein Volk“: Zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz (27.1) bieten die Melanchthon-Akademie, das EL-DE-Haus und das Theater Tiefrot im Januar/Februar Workshops zu Kriegsfolgen und vergessener Trauer an. Holger Möhlmann

„Lehmann und Zuckermann“: Theater Tiefrot, Dagobertstr. 32, Tel. 0221/460 09 11. Heute sowie am 4., 5., 10. bis 12. Februar, jeweils 20.30 Uhr