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Archiv-Artikel

„Es ist eine Marktlücke“

Malen nach Originalen: Ein Gespräch mit der Kopistin Claudia Meyer über die Kunst der Fälschung, die Fehler in den Gemälden berühmter Maler und das passende Bild zur Wohnungseinrichtung

INTERVIEW KOLJA MENSING

taz: Frau Meyer, der Tizian dort hinter Ihnen …

Claudia Meyer: … ist gefälscht.

Ist das nicht verboten?

Nein. Zumindest nicht, wenn man sich dabei an gewisse Vorgaben hält. Tizians „Mann mit Handschuh“ zum Beispiel darf als Fälschung in der Öffentlichkeit nur mit einem entsprechenden Vermerk gezeigt werden.

Eins zu eins darf man außerdem nur Bilder von Malern kopieren, die vor mehr als 70 Jahren verstorben sind. Ansonsten verletzt man das Copyright.

Andy Warhol ist ja erst seit sechzehn Jahren tot, und trotzdem wird in Ihrer Galerie eines seiner Marilyn-Monroe-Porträts als Fälschung zum Kauf angeboten.

In so einem Fall muss man das Bild dann entsprechend abändern. Der Warhol hier ist in anderen Farben gemalt, als sie auf dem Original zu sehen sind. Die Größe ist eine andere, und es ist natürlich nicht als Siebdruck gemacht, sondern in Acryl auf Leinwand gemalt. Ich habe auch die Gesichtszüge Monroes verändert, gewisse Schattierungen dazugenommen, die sie etwas plastischer machen. Die Marilyn Monroe, die Sie hier sehen, ist sehr lebendig, sehr realistisch, während sie auf dem Druck viel abstrakter wirkt.

Und wenn ich es nun doch genauso wie im Original bei Ihnen bestellen würde, ohne Veränderungen?

Ich kann Ihnen auch einen Siebdruck anfertigen, das geht schon. Sie dürften ihn dann allerdings nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Und natürlich ist es verboten, so eine Kopie dann mit „Andy Warhol“ zu signieren.

Haben Sie da jemals Probleme bekommen?

Nein, ich halte mich schließlich an die Bestimmungen. Aber es gibt natürlich Kollegen, die das nicht tun. Der bekannte Fälscher Konrad Kujau, der sich unter anderem auch an den Hitler-Tagebüchern versucht hat, musste deswegen ja für einige Zeit ins Gefängnis …

Fallen Ihnen beim Kopieren von Bildern eigentlich Fehler im Original auf?

Natürlich. Das gibt es ja häufig, dass zum Beispiel in der Anatomie etwas nicht stimmt. Die Menschen auf den Bildern von Max Beckmann haben zum Beispiel immer viel zu kurze Beine und verzerrte Gesichtszüge. Aber das stört mich nicht.

Sie fühlen sich dann nicht versucht, die Fehler einfach zu korrigieren?

Nein, auf gar keinen Fall. Nicht umsonst sind einige nicht ganz so perfekte Bilder sehr bekannt geworden. Es kommt schließlich auf den Gesamteindruck an.

Fälschen Sie auch Bilder nur für sich selbst?

Selbstverständlich. Meine ganze Wohnung hängt voll mit Fälschungen.

Und besitzen Sie auch Originalkunst?

Ja, von mir selbst.

Sie sind also auch Künstlerin, nicht nur Fälscherin?

Ja, aber mit meinem Fälscheratelier habe ich mich ausschließlich auf das Kopieren beschränkt – beziehungsweise darauf, Bilder im Stil eines Malers zu entwerfen. Ich habe gerade erst eine sehr schöne große Villa mit Bildern ausgestattet, die denen Mark Rothkos stark ähneln.

Lernt man das Fälschen während des Kunststudiums?

Nein, das ist ein eigenes Handwerk. Ich habe eine Ausbildung als Kopistin gemacht.

Ist das nicht ein ungewöhnlicher Schritt für eine Künstlerin, mit Kopien oder Imitaten anderer, sehr viel bekannterer Maler sein Geld zu verdienen?

Es ist einfach eine Marktlücke, auf die ich gestoßen bin. Jeder möchte doch ein schön gemaltes Bild zu Hause haben, Öl auf Leinwand, Acryl auf Leinwand, Kunstwerke also, die man im Original natürlich nie bezahlen könnte. Wenn einem ein Bild wirklich gefällt, will man sich doch nicht einfach nur ein Poster an die Wand hängen.

Was kostet denn zum Beispiel der Tizian?

Da haben Sie sich nun gerade ein ausgesprochen teures Beispiel ausgesucht. Der „Mann mit Handschuh“ ist mit Lasur gemalt, das ist sehr zeitaufwändig. An so einem Bild sitze ich bis zu vier Wochen, und es kostet darum 1.200 Euro. Die Bilder, die Sie hier sehen, fangen aber durchaus schon bei 250 Euro an. So viel muss man für ein abstraktes Motiv in einem mittleren Format bezahlen. Größere Formate bewegen sich zwischen 500 und 800 Euro. Wenn man allerdings eines dieser riesengroßen Bilder von Gustav Klimt gefälscht haben möchte, kostet das auch schon mal bis zu 2.500 Euro.

Wie muss man sich Ihre Kunden vorstellen?

Es sind Menschen, die Wert auf eine schöne Einrichtung legen.

Betuchtere Leute?

Menschen mit einem Sinn für Ästhetik ganz einfach.

Einen Großteil unserer Auftraggeber machen allerdings gewerbliche Kunden aus. Da geht es dann darum, ganze Restaurants, Büroetagen oder Rechtsanwaltskanzleien auszurichten.

Finden Sie das nicht merkwürdig, dass auf diesem Weg aus Kunstwerken Einrichtungsgegenstände werden?

Nein. Es werden tatsächlich sehr oft Bilder gewünscht, die zur Einrichtung passen.

Ich habe Kompositionen schon so verändert, dass die Farben auch zu den Vorhängen passen. Und wenn man ein ganzes Haus ausstattet, muss man ja auch darauf achten, dass die einzelnen Bilder miteinander harmonieren, und sie darum entsprechend anpassen.

Tizian und einige andere seiner Kollegen würden sich vermutlich im Grabe umdrehen.

Dem einen gefällt’s, dem anderen nicht.

Ich bin gerade erst umgezogen, und die Wände in meiner Wohnung sind noch sehr leer. Was für ein Bild würde denn als Fälschung gut zu meinen Ikea-Regalen und meinem hellroten Sofa passen?

Natürlich müsste ich mir Ihre Wohnung erst einmal ansehen, so mache ich das eigentlich. Aber lassen Sie mich überlegen. Sie sind ja ein Mann, ich würde Ihnen also zum Beispiel nicht zu der „Marilyn Monroe“ von Warhol raten. Aber Sie sind jung und haben auch einen gewissen Anspruch, da würde ich Ihnen etwas Abstraktes, Kraftvolles empfehlen. Zum Beispiel ein schönes, gespachteltes Bild von Jasper Jones ...

Vielen Dank. Ich denke noch einmal in Ruhe darüber nach.

„Das Fälscheratelier“, Sredzkistraße 29, Prenzl. Berg. Tel. (01 75) 2 36 97 69