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Archiv-Artikel

NORMALZEIT HÖGE über arme und reiche Irre

„Da ist kein Platz mehr für Gefühle …“ (Rudolf Scharping)

Die Herbstoffensive der LaRouche-Truppe hat begonnen: Sie haben ihre Werbestände am Bundesplatz und an anderen stark frequentierten Orten aufgestellt. In Kreuzberg treten sie den Arbeitslosen auf dem Weg zum Jobcenter entgegen – zwischen dem Springerkonzern und der taz, zu Füßen des Öko-Hochhauses der GSW.

Früher warb die LaRouche-Truppe als „Europäische Arbeiterpartei“ (EAP) für die Weltverbesserungsideen seiner Gründer, des amerikanischen „Staatsmannes“ Lyndon LaRouche und seiner Frau, der OSI-Politologin Helga Zepp-LaRouche. Sie gründeten eine „Anti-Drogen-Koalition“ gegen Rauschgift, für Atomkraftwerke den „Club of Life“, das „Fusions-Energie-Forum“ und die „Akademie für Humanistische Studien“. Sie wollen „Rockefellers Nazipläne in Europa“ stoppen und fordern den Bau eines eurasischen „Transrapid“.

Der Verfassungsschutz bezeichnet ihre Organisation, die sich immer mal wieder umbenennt – etwa in „Schiller-Institut“ und „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ – als eine „Politsekte“. Seltsamerweise besetzte Arno Hellenbroich, der Bruder des Exverfassungsschutzpräsidenten, lange Zeit „Schlüsselstellungen in den Vereinen des LaRouche-Kultes“, wie Helmut Lorscheid und Leo A. Müller in ihrem Buch „Deckname Schiller“ schreiben. Der Sektenforscher Friedrich Wilhelm Haack meint: „LaRouche sieht zwei Kräfte am Werk: eine böse satanische Seite der ‚Oligarchen‘, die von Zinswucher leben, und die ‚Humanisten‘, die Städtebauer, an die Macht der Vernunft glaubende Edelmenschen. Dazwischen gibt es die ‚99,44 Prozent umfassende tierische Masse unwissender Schafe‘.“

In seiner Organisation „Patrioten für Deutschland“ versammelte LaRouche Edelmenschen wie den WK-zwo-Zerstörerkommandanten Zenker, den Ritterkreuzträger von der Heydte und den geschassten MAD-Geheimdienstchef Scherer. Ferner kooperierte er mit der rechten französischen „Parti ouvrier européen“ (POE) und mit dem Kroatischen Nationalrat. Der Ex-CIA-Direktor William Colby behauptet, dass das „LaRouche-Komitee“ zu 80 Prozent aus ehemaligen CIA- und FBI-Leuten besteht.

Lyndon LaRouche und seine Frau Helga mischen sich ein, drängen sich in die Clubs und Mailboxes der Mächtigen und Reichen, jetten um den Globus, konspirieren mit ehemaligen Militärs und Geheimdienstlern, geben jede Menge Zeitschriften heraus, wittern überall jüdische und andere Verschwörungen, müllen das Internet mit ihren Analysen zu. Als am 11. September das World-Trade-Center zusammenbrach, kam LaRouche in einem Radiointerview sofort zu dem Schluss, dass ein versuchter Staatsstreich gegen die USA im Gange sei. Jetzt – während des Zusammenbruchs mehrerer US-Banken – fordert der „Ökonom“ LaRouche „ein neues Bretton Wood zur Lösung der Finanzkrise“.

An der Ecke Rudi-Dutschke-/Charlottenstraße könnte seine Truppe neben den Arbeitslosen auch gleich noch die Angestellten im GSW-Hochhaus agitieren: Die GSW, mit 65.000 Wohnungen Berlins größtes Wohnungsbauunternehmen, gehört seit 2004 der US-Investmentgesellschaft Cerberus. Dieser „Geierfonds“ gehört Stephen Feinberg, der bisher 80 Milliarden Dollar zusammensammelte, um damit Firmen zu kaufen, die vor dem Bankrott stehen. Danach übernimmt er entweder als größter Gläubiger die Kontrolle, saniert die Unternehmen und verkauft sie weiter – oder zerschlägt sie und schlachtet sie aus. Zu seinen Beratern zählt der ehemalige VW- und DaimlerChrysler-Vorständler Wolfgang Bernhard. Daneben gehören der ehemalige US-Finanzminister John Snow als Verwaltungsratschef und der ehemalige Vizepräsident Dan Quayle als Vorstandsmitglied zu Cerberus. „In Deutschland soll außerdem der einstige Verteidigungsminister Rudolf Scharping das Unternehmen beraten,“ schreibt der Spiegel.

Wir resümieren: Oben im GSW-Hochhaus sitzen nun die reichen Irren von Cerberus und unten vor der Tür agitieren die armen Irren von LaRouche. Beides gibt sich nicht viel. Erwähnen sollte man aber vielleicht noch, dass das „Öko-Hochhaus“ der GSW einst mit staatlichen Fördergeldern gebaut wurde. Bis heute weigert sich die GSW jedoch, eine „Öko-Bilanz“ vorzulegen, nicht einmal den über „Öko-Bilanzen“ von Häusern forschenden Architekturprofessoren an der UdK gewährt man Einblick, obwohl die GSW eigentlich dazu verpflichtet ist. Die Professoren vermuten, dass die „Öko-Bilanz“ des GSW-Hochhauses schlechter ausfällt als die von „normalen“ Bürohochhäusern. Aber um zum Schluss zu kommen: Auf der Rudi-Dutschke-Straße geht es heute zu wie im richtigen Leben!