: All we hear is Radio Gaga
Medienrat-Entscheidung: Spreeradio auf 105,5 bleibt, und JAM FM bekommt stärkere Frequenz.Neue Konzepte bleiben außen vor. Gemeinsame Frequenz für Kleinsender und Offenen Kanal geplant
von LUCIA JAYund STEFAN WELLGRAF
Radiofreunde werden auch in Zukunft vergeblich auf mehr Abwechslung im Berliner Einheitsgedudel warten. Mit seiner gestern verkündeten Entscheidung über die Neuvergabe der beiden privaten Berliner UKW-Frequenzen 105,5 und 93,6 riskierte der Medienrat keine großen Veränderungen.
Unter den 29 Antragstellern, die sich um die freien Sendeplätze beworben hatten, wählte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg die Musiksender Spreeradio 105,5 und JAM FM aus. Beide sind jedoch schon länger auf Sendung. Einzige absehbare Änderung: Im April könnte der Offene Kanal eine Funkfrequenz erhalten, der bisher nur über Kabel gehört werden kann.
Der „Black-Music-Sender“ JAM FM wechselt seine Position auf der Skala von 97,2 auf die ehemalige F.A.Z-Radio-Frequenz 93,6. Spreeradio wird mit unverändertem Konzept auf der bekannten Frequenz 105,5 senden. Der eher leicht verdauliche Sender hatte seine Frequenz vor kurzem verloren, weil auf Gesellschafterebene Konkurs angemeldet worden war. Mit der Wahl eines neuen Gesellschafters konnten das Radio und seine Arbeitsplätze gerettet werden. Das Spreeradio musste sich aber erneut für die Frequenz bewerben.
Unter den Verlierern findet sich eine bunte Programmauswahl. Neben dem Kinderradio Teddy und einem christlichen Sender bewarben sich auch die Sender Russkij Berlin, das schwul-lesbische BluRadio und das Rockradio Der Bär.
Dimitri Feldmann, Herausgeber der Wochenzeitschrift Russkij Berlin, konzipierte für die 200.000 in Berlin lebenden Russen ein gleichnamiges Radioformat, komplett in russischer Sprache. BluRadio wollte mit einem stark inhaltlich orientierten Programm für Homosexuelle eine Berliner Medienlücke schließen. Bisher besteht die homosexuelle Medienlandschaft in Berlin ausschließlich aus kostenlosen Anzeigenblättern. Die Initiatoren des Jugendsenders Der Bär wollten als Alternative zu den etablierten Musiksendern ein Programm mit neuer Rockmusik bieten, „von den Red Hot Chili Peppers bis zu den Goldenen Zitronen“.
Trotz der Niederlage beim Kampf um die beiden heiß umworbenen Frequenzen will der Medienrat den Kleinsendern möglicherweise eine Nische in Berlins Äther einräumen. Als Folge der Senderumverteilung wird die bisher von JAM FM genutzte Frequenz 97,2 frei. Nach der Verlegung des Senderstandortes vom Potsdamer Schäferberg in die Berliner Innenstadt wird der Medienrat am 11. April über eine aufgeteilte Nutzung dieser Frequenz entscheiden. Neben einer Programmgestaltung durch den Offenen Kanal sollen sich vor allem im Radio unterrepräsentierte Gruppen bewerben. Hier könnten sich demnächst RadioBlu, Radio Russkij und das Rockradio Der Bär mit dem Offenen Kanal ihre Sendezeit teilen, teilte die Medienanstalt gestern mit.
Dimitri Feldmann, Chef von Russkij Berlin, hätte zwar eine eigene russische Frequenz in Berlin lieber gehabt, sieht aber eine Teilfrequenz als guten Teilerfolg an. Susanne Matthiessen von BluRadio ist mit diesem Plan hingegen nicht einverstanden: „97,2 soll jetzt wohl eine Gutmenschenfrequenz werden, auf der alle Minderheiten entsorgt werden.“ Matthiessen glaubt nicht, dass eine Vierteilung der freien Frequenz wirtschaftlich tragfähig wäre. Auch Der Bär hat wenig Interesse an einer kleinen Sendelücke.
Die Radiokampagne für ein freies Radio hatte ebenfalls überlegt, sich um eine Frequenz zu bewerben. Aus Kostengründen entschied sie sich dagegen. Das Ziel der Kampagne bleibt weiterhin, die rechtlichen Vorraussetzungen für nichtkommerzielles Radio in Berlin zu schaffen.
Die Frequenzvergabe durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg berücksichtigt bisher ausschließlich sich selbst tragende Sendeformate.