: Flüchtlinge seit zehn Jahren kriminalisiert
Vor zehn Jahren wurden die Abschiebeknäste in NRW gegründet – die Haftbedingungen sind menschenunwürdig
DÜSSELDORF taz ■ Seit einem Jahrzehnt werden in Nordrhein-Westfalen Flüchtlinge zu Häftlingen: In Abschiebeknästen in Büren, Moers und Neuss sitzen seitdem AsylbewerberInnen ein, die sich gegen ihre Abschiebung wehren oder bei Razzien auf dem schwarzen Arbeistmarkt verhaftet wurden.
Nach dem „Asylkompromiss“ vom Dezember 1992 wurde das Grundrecht auf Asyl in Artikel 16 stark eingeschränkt: Flüchtlinge, die über sogenannte „sichere Drittstaaten“ einreisen erhalten ebensowenig ein Bleiberecht wie Flüchtlinge aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern. Nach der Gesetzesänderung bekamen nur noch wenige Flüchtlinge Asyl, Abschiebeknäste schossen bundesweit wie Pilze aus dem Boden. Seitdem hat sich für die Inhaftierten wenig verändert: Sie sind von Freunden und Familie getrennt, verbringen bis zu 18 Monaten in der Zelle, sprechen oft kein deutsch und leiden unter Todesangst vor der Abschiebung in ihre Heimatländer. Gefangene versuchten immer wieder, mit Selbstverletzungen, Suizidversuchen und Hungerstreiks auf ihre Situation aufmerksam zu machen. „Die Knäste sind der Inbegriff der unmenschlichen Asylpolitik“, sagt Frank Gockel vom Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft.“ Unschuldige Menschen würden jahrelang im Gefängnis festgehalten. „Wie viele nach ihrer Abschiebung verschleppt oder getötet wurden, wird sich nie ermitteln lassen.“ Gockel kritisiert vor allem die Inhaftierung von Kindern: „Das verstößt gegen die UN-Menschenrechtskonvention.“
Zurzeit seien fünf Jugendliche in Büren, sagt Peter Möller, Leiter der JVA. Nach zehn Jahren könne er aber sagen: „Wir sind kein normales Gefängnis.“ Bei ihm sei es viel schöner: Es gäbe Telefon, Fernseher, die Gefangenen könnten arbeiten. „Sie können Stecker montieren, sie können kartonieren und verpacken.“ Seit dies möglich wurde, sei es viel ruhiger geworden.
In Neuss ist es weniger ruhig. Hier befindet sich der bundesweit einzige Frauenabschiebeknast unauffällig in der Innenstadt. Zwischen 70 und 80 Frauen sind dort inhaftiert, darunter auch Schwangere und Minderjährige. Flüchtlingsorgansiationen beklagen die Haftbedingungen: Die Frauen lebten in engen und dunklen Zweier- oder Sechserzellen, sie könnten sich nur selten verständigen, der Hofgang sei kurz, die Nahrung schlecht. Für AnwältInnen oder DolmetscherInnen bleibt ihnen kein Geld: Die Flüchtlinge müssen für ihre eigene Inhaftierung zahlen. ANNIKA JOERES