Streit um Aluminium-Werk in Mostar

Ethnische, aber auch wirtschaftliche Konflikte gefährden den größten Industriebetrieb Bosniens und Herzegowinas

SARAJEVO taz ■ Schon von weitem ist der Komplex des Aluminiumwerkes von Mostar zu sehen. Im Tal der Neretva und in der Nähe des Flughafens liegend, zeigen schon die weitläufigen modernen Hallen und Produktionsstätten, dass es sich hierbei um einen der größten Industriebetriebe in Bosnien und Herzegowina handeln muss – es ist tatsächlich der größte. Dass der Betrieb hier wegen wirtschaftspolitischer Querelen bald eingestellt werden könnte, erregt die Arbeiter. „Die Existenz von 30.000 Menschen hängt von dem Werk ab. Wenn die Muslime (Bosniaken) nicht den Strom liefern, müssen wir dichtmachen“, sagt ein bosnischer Kroate.

Auch die örtliche kroatische Presse ist aufgebracht. Immerhin sei Mijo Brajković, Direktor des Unternehmens und ehemaliger Bürgermeister von West-Mostar, wegen seiner erfolgreichen Arbeit und Innovationskraft sogar kürzlich zum Manager des Jahres in Südosteuropa gewählt worden, heißt es da.

Aluminiumproduktion braucht sehr viel Energie. Und den Löwenanteil davon lieferte bislang der von Bosniaken geleitete Konzern Elektroprivreda BiH. Der Konflikt begann, als Elektroprivreda BiH mit Slowenien und Italien über Stromlieferungen verhandelte und einen Preis von 42,3 Euro pro Megawattstunde herausschlug. Danach wollte das Elektrizitätsunternehmen den Vertrag mit dem Aluminiumwerk nicht mehr einhalten, mit dem es nur 25,3 Euro pro Megawattstunde erzielte.

Sprecher des bosniakischen Unternehmens erklärten, der Preis für das Aluminiumwerk sei ein politischer, kein Marktpreis. Jetzt aber lebe man in einer Marktwirtschaft und nicht mehr im Sozialismus. Zur Überraschung der kroatisch-nationalistischen Presse unterstützte das von bosnischen Kroaten geführte Unternehmen Elektroprivreda HZHB dieses Argument.

Das alles forderte die Direktion des Aluminiumwerkes heraus. Denn auf der Basis des billigen, politisch festgesetzten Stromes hatte der Betrieb bisher nicht nur auf dem europäischen Markt konkurrenzfähig arbeiten, sondern hübsche Extraprofite erzielen können. Und es wird mit harten Bandagen gekämpft. Zufall oder nicht – erst am Donnerstag wurde der Chef des kroatisch dominierten Elektrounternehmens tätlich angegriffen.

Das Aluminiumwerk wurde 1993 während des Krieges von kroatisch-bosnischer Seite okkupiert und beschäftigte fortan nur Kroaten. Der Betrieb gilt als Musterbeispiel für die Etablierung einer „ethnischen Ökonomie“. Nach dem Krieg ließ die kroatische Direktion keine Rückkehrer zu. Serben und Bosniaken, die vorher zur Belegschaft gehört hatten, mussten zusehen, wie der Betrieb ohne sie florierte.

Das wurmte vor allem die bosniakische politische Führung in der zwischen Kroaten und Muslimen geteilten Stadt Mostar. Und da die Elektroprivreda BiH unter bosniakischer Kontrolle steht, erweckten die harten Verhandlungen über den Strompreis für das Aluminiumwerk zunächst in der Öffentlichkeit den Eindruck, es handle sich um einen rein ethnischen Konflikt. Und die nationalistische Presse stützte das.

Tatsächlich stehen hinter allem zwar nach wie vor ungelöste ethnische Konflikte, aber selbstverständlich auch handfeste ökonomische Interessen – wobei sich beide Ebenen vermischen. Die Stromversorgungsunternehmen verlieren Millionenbeträge, wenn sie den Strom nicht exportieren dürfen. Und das mit Elektroprivreda verbundene Unternehmen Intrade kündigte an, die Investition von 40 Millionen Euro in den Bau von sechs kleineren Wasserkraftwerken zu stoppen, wenn der Stromexport nach Italien und Slowenien nicht zustande kommt.

So musste der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Paddy Ashdown, intervenieren und einen Kompromiss herbeiführen. Das Aluminiumwerk bekommt Strom zu etwas höheren Preisen, und das Energieunternehmen darf exportieren – allerdings weniger als vorgesehen. Das sei keine marktwirtschaftliche Entscheidung, sondern Staatsinterventionismus, schrieben Zeitungen in Sarajevo. Doch letztlich schluckten alle die Kröte. Zumindest bis zur endgültigen Entscheidung, die Ende März fallen soll. ERICH RATHFELDER