Wandeln auf Frauenspuren

„So lebten sie!“: Eine literarische Zeitreise von Rita Bake und Brita Reimers führt auf die Fährte von Frauen in Hamburg, die vielleicht nicht immer berühmt, aber immer etwas Besonderes waren

von MARCO CARINI

Sagt ihnen der Name Lida Gustava Heymann etwas? Oder haben sie schon mal etwas von Margarete Mrosek gehört? Vielleicht wissen sie etwas über Amalie Dietrich? Sie kennen mehrere, gar alle dieser Frauen nicht? Frauengeschichte ist verloren gegangene Geschichte. Offizielle Geschichte ist - noch immer – die Geschichte von Männern, die wichtig waren oder sich dafür hielten. Die Geschichte „großer“ Feldherren und Politiker, aber auch bedeutender Schriftsteller, Maler, Philosophen.

Frauengeschichte ist verlorene Geschichte

Frauen, die Bedeutendes für oder in Hamburg geleistet haben, wollen die Historikerinnen Rita Bake und Brita Reimers aus der Vergessenheit befreien. „So lebten sie!“ heißt das jetzt von der Landeszentrale für politische Bildung im Christians Verlag herausgegebene Buch, auf dem sich die beiden Autorinnen auf Spurensuche begeben.

Das 336 Seiten umfassende Werk ist eine Zeitreise durch die historische Entwicklung Hamburgs vom Mittelalter bis in die Gegenwart geworden, erzählt entlang der Lebensgeschichte von Frauen, die in Hamburg gewohnt und gewirkt haben, die auch zu ihrer Zeit nicht immer zu Berühmtheit gelangten, alle aber ganz besondere Frauen waren. In 19 Rundgängen durch die Hamburger Alt- und Neustadt führen uns die Autorinnen zu den Orten, an denen die Spuren der von ihnen Porträtierten sichtbar werden oder einst sichtbar waren. Dabei verzahnen sie Stadtentwicklung, Sozialgeschichte und die Biographien ihrer zahlreichen Protagonistinnen zu einem farbenfrohen historischen Mosaik.

Heilige und Huren bekommen ihren Platz

Dass die bürgerliche Wohltäterin Emilie Wüstenfeld im Holländischen Brook die erste „Hochschule für das weibliche Geschlecht“ eröffnete, ist in dem dicken, akribisch recherchierten Werk genauso nachzulesen, wie die Geschichte der „Rutsch-Anna“, dem guten Geist aller Verliebten, die im 19. Jahrhundert verschwiegene Treffen arrangierte und heimliche Briefe überbrachte. Heilige und Huren, Wohltäterinnen und Widerstandskämpferinnen, Schauspielerinnen und Schriftstellerinnen wird in dem „Buch der Erinnerung“ der Platz in der Hamburger Geschichte zugeordnet, den sie verdient haben.

„So lebten sie!“ ist Frauengeschichte aus Frauensicht. Die Auswahl der Frauen kann notwendigerweise weder repräsentativ noch vollständig sein, sie ist aber umfassend und an keiner Stelle beliebig. Und so werden auch Lida Gustava Heymann, die das erste Hamburger Frauenhaus eröffnete, Margarete Mrosek, die ihr Leben im Kampf gegen den Nationalsozialismus verlor, und Amalie Dietrich, eine zu ihrer Zeit weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannte Botanikerin, von den Autorinnen aus dem Dornröschenschlaf der Vergessenheit herausgeholt.

Rita Bake/Brita Reimers: „So lebten sie! Spazieren auf den Wegen von Frauen“, Christians-Verlag, 18 Euro