: Gesprochenes Wort macht die Musik
Bei der Programmreform von WDR 5 bleibt die Musik auf der Strecke. Stattdessen werden Wiederholungen vom Nachmittag gesendet. Der Trend geht zum Wortprogramm. Die Quote spielt aber keine Rolle, so der Sender
KÖLN taz ■ Bei der Programmreform des Radiosenders WDR 5 bleiben die abendlichen Musiksendungen auf der Strecke. Stattdessen werden Wortsendungen vom Nachmittag wiederholt. Vor allem die Sparten Jazz und Blues leiden unter der Einstellung der „Musikwelten“ – einer 90-minütigen Sendereihe, die täglich ab 22 Uhr ausgestrahlt wurde. „Damit wird im WDR eine Tradition beendet, die bis in die 60er Jahre zurückgeht“, sagt Michael Rüsenberg, ehemaliger Redakteur und Moderator der Sendung Jazzcity. „Der Sender verabschiedet sich von einem Teil der (Musik-)Welt.“ Wer Jazz hören will, muss sich durch das Programm von WDR 3 kämpfen. Blues findet im WDR gar nicht mehr statt. Auf WDR 5 übriggeblieben ist ein allabendliche, 25-minütige Sendung mit dem Namen „Jazz twentyfive“, in der hauptsächlich Archivaufnahmen zu hören sind.
“Wir wollen WDR 5 als Wortwelle stärker von WDR 3 abgrenzen“, begründet Wellenchef Wolfgang Schmitz die Reformen. Die Quote spiele dabei eine untergeordnete Rolle. „Der Trend geht ganz klar Richtung Wortprogramme“, so Schmitz. Tagsüber erreicht WDR 5 durchschnittlich 300.000 Zuschauer, nach 20 Uhr sackt die Quote in den fünfstelligen Bereich. „Die Musikwelten hatten zuletzt nur eine kleine Hörergemeinde“, so Schmitz. Die Reform stehe aber nicht im Zusammenhang mit den Diskussionen über Einsparungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Unser Programm erfüllt nach wie vor den öffentlich-rechtlichen Auftrag.“
WDR-Intendant Fritz Pleitgen hatte zuletzt angekündigt, den Sender nicht kaputtsparen zu wollen. Voraussetzung sei eine Erhöhung der Rundfunkgebühren. Bislang scheiterte dies unter anderem am Widerstand von NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück. „Sollte es dabei bleiben, wird der WDR zwischen 2005 und 2008 Einsparungen von netto 1,6 Milliarden Euro vornehmen“, so Pleitgen.
Vor zwei Jahren stieg der WDR als Sponsor des europaweit bekannten Moers Festival aus, stattdessen wurde laut Sender-Angaben der Etat für Clubs oder kleinere Festivals wie in Münster oder Dortmund erhöht. Durch die Programmreform entzieht der WDR den Veranstaltungen jetzt die Grundlage. „Langfristig werden auch die Clubs und Festivals in NRW unter der Reform leiden“, glaubt Michael Rüsenberg, „die Jazzfans werden vor allem durch das Radio auf die Musiker aufmerksam gemacht.“
Die Veranstalter versuchen sich mit Etikettenschwindel zu helfen. Immer mehr Konzerte von Jazzmusikern laufen unter dem Label Weltmusik. Ein Teil des WDR 5-Musikprogramms wurde unverbindlich an die Ethno-Welle „Funkhaus Europa“ abgegeben. Schon bei der Umstellung von WDR 1 auf „Eins Live“ wurden qualitativ angesehene Sendungen wie „Alan Bangs Connection“ oder „Schwingungen“ eingestellt. Zusagen, die Inhalte in die neue Welle zu integrieren, wurden nicht eingehalten. „Im WDR gibt es seit Jahren eine Kontinuität der Brüche“, sagt Michael Rüsenberg, „die einmalige Freiheit, die ich beim Planen der Sendungen hatte, ist vorbei.“
Wie es mit der verbliebenen Rest-Freiheit aussieht, ist unklar. Michael Rüsenberg wird in losen Abständen weiter Sendungen auf WDR 3 moderieren. Sein Hauptengagement gilt der Jazzcity Netz Edition. „Mit Hilfe der Internetseite sollen Namen und Inhalte vermittelt werden, die Im Programm des WDR nicht mehr auftauchen“, sagt Michael Rüsenberg. Allein an den ersten zwei Tagen gab es 4.000 Seitenaufrufe. Musiker wie der King Krimson- und Yes-Schlagzeuger Bill Bruford bekundeten ihre Solidarität. 26 ehemalige Hörer beteiligen sich als Sponsoren an der Website. Für die Sendung aber kommt die Hilfe leider zu spät.
HOLGER PAULER