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Archiv-Artikel

„Ich will in dieser Stadt Kräne sehen“

Bernd Streitberger, von CDU und Grünen auf den Posten des Stadtentwicklungsdezernenten gewählt, im Gespräch mit der taz über Defizite kölscher Planungskultur, rechtsrheinische Großbaustellen und die Sehnsucht nach einem Masterplan für Köln

INTERVIEW CORD MACHENSUND SEBASTIAN SEDLMAYR

taz: Herr Streitberger, Sie haben sich vom Stadterneuerer in einem kleinen Städtchen bei Paderborn über Rüthen, Oelde, Fulda und Kassel hoch gearbeitet und sind jetzt Stadtentwicklungsdezernent in Köln. Mit welcher Motivation sind Sie gekommen?

Bernd Streitberger: In Rüthen wurde ich gefragt, ob ich Stadtdirektor werden wollte. Ich habe gesagt: Nein, ich bin Stadtplaner und kein Allgemeinpolitiker. Wenn man sich für diese Karriere entschieden hat und trotzdem weiter kommen will, dann muss man die Stadt wechseln. Und ich war schon immer sehr ehrgeizig. Natürlich muss man zu der Stadt, in die man geht, eine Beziehung haben. Das war in Kassel der Fall. Das ist auch in Köln so. Ich fühle mich hier sehr wohl.

Trotzdem fragt man sich, ob Sie nicht schon wieder auf dem Sprung sind. Ist denn in Kassel alles geregelt, so dass Sie die Stadt guten Gewissens verlassen konnten?

Nein, ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich aus einer Stadt weggegangen bin. Es ist nie alles geregelt. Wenn sich keine Kräne mehr drehen, dann ist die Stadt reif fürs Museum. Deshalb lautet eins meiner Mottos: Ich will Kräne sehen!

Ist Ihnen dann egal, was gebaut wird?

Nein, aber ich weiß, dass nicht immer nur gute Architektur produziert wird.

Da besteht in Köln aber keine Gefahr, oder?

Da haben Sie Recht. In Köln kann eindeutig vieles besser werden. Aber ich verstehe meine Arbeit nicht nur in dem Sinn, eine ideale Architektur anzustreben. In erster Linie bin ich für die Stadtentwicklung zuständig.

Was heißt das nun konkret? Großbaustellen gibt es am Rheinauhafen, an der Messe, in Kalk. Was haben Sie sich noch vorgenommen?

Die Baustelle Kalk ist noch lange nicht fertig. Wir machen den Bürgerpark. Und es wird noch weitere Investitionen geben. Das Cologne Science Center ist eine davon. Auch in Deutz wird alles, was mit Messe, ICE-Terminal und städtebaulichem Umfeld zu tun hat, noch etwa ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen. Diese Chance, die sich mit dem Verkehrsdrehkreuz Deutz bietet, sollten wir optimal nutzen. Wir brauchen deshalb am ICE-Bahnhof ein städtebauliches Zeichen. Das muss aber nicht unbedingt ein Glasdach sein, an dem die Bahn wenig Interesse hat.

Könnte da nicht der Oppenheim-Esch-Fonds einspringen?

Wie die Bahn ist auch der Fonds vorrangig an rentierlichen Investitionen interessiert.

Apropos Esch-Fonds: Wie sollen künftig Projekte verhindert werden, bei denen die Bürger auf lange Zeit draufzahlen? Beispiele dafür gibt es in Köln ja leider genug – siehe die Stellplätze an der KölnArena.

Wir können kein Interesse an unrentierlichen Geschäften haben und werden darauf achten, dass wir vernünftige Verträge abschließen. Wir sind heute wegen der leeren Kassen allerdings gezwungen, außerhalb des Haushaltes Lösungen zu finden. Die Qualität der Verträge müssen wir dann verhandeln. Übrigens gilt aber: Was die Messe macht, ist ihre Sache.

Aber die Stadt müsste doch wieder einspringen, wenn ihre Tochtergesellschaft – die Messe – nicht mehr zahlen kann, oder?

Dazu will ich mich nicht äußern. Das liegt nicht in meinem Aufgabenbereich. Aber was den Hochbau der Stadt Köln angeht, werde ich sehr darauf achten, dass wir uns keine unnötigen Immobilien leisten. Im Gegenteil: Wir werden verkaufen.

Wie wollen Sie die viel kritisierte Kölner Planungskultur ändern?

Planungskultur besteht auch darin, dass man nichts Wünschenswertes in die Welt setzt, das nicht realisierungsfähig ist. Wir müssen das Instrument „Wettbewerb“ für die Qualitätssicherung in Architektur und Städtebau weiterentwickeln und offensiver nach vorne tragen, damit nicht ausschließlich dem Zuruf von Investoren gefolgt wird. In Köln werden einerseits ganz große Nummern abgefeiert, die dann folgenlos bleiben. Andererseits wird ganz pragmatisch völlig ohne Wettbewerb durchmarschiert nach dem Motto „Jetzt wird gebaut, Ende der Durchsage“. Da will ich eine Annäherung finden. Wir müssen neben Gutachterverfahren die Instrumente des Wettbewerbs und der Bürgerbeteiligung anwenden, um zu einer guten Planungskultur zu kommen.

Wollen Sie einen Masterplan für Köln?

Ich will sicherlich keinen Masterplan, der den Anspruch erhebt, das bauliche Geschehen in dieser Stadt umfassend zu regeln. Das gehört – genauso wie ein Stadtbaumeister – der Vergangenheit an. Was wir aber brauchen, sind Rahmenpläne. Die müssen wir intensiv mit der Bevölkerung und unter Einbeziehung von Alternativen diskutieren. Ich stehe dafür, dass ich sehr früh und offen das Gespräch mit den von Planungen betroffenen Menschen suche. Niemand kennt die Stadt vor seiner Haustüre so gut wie die Leute, die dort leben. Für die Altstadt und die Ringe könnte ich mir zum Beispiel einen „Masterplan“ vorstellen.

Wird das Hochhauskonzept kommen?

Ich gehe davon aus, dass der jetzige Entwurf auch bis Mitte des Jahres, wie von der Ratskoalition vorgesehen, verabschiedet wird. Die ganze Diskussion, die wir gehabt haben, war nach meinem Dafürhalten nicht ganz transparent. Solche Diskussionen sollten wir in Zukunft vermeiden. Wir sollten uns Regeln für Hochhausbauten geben, die wir aus der Identität unserer Stadt ableiten.

Ist das Zentrum, aus dem diese Kriterien abgeleitet werden, der Dom?

Ja. Sie können in Köln nicht über 150 Meter bauen. Eine weitere Determinante ist der Domfirst in 60 Metern Höhe. Aber 60 Meter hohe Gebäude werden gar nicht mehr als Hochhäuser empfunden. Das muss auch berücksichtigt werden.

Welche weiteren Kriterien soll es für Hochhäuser geben?

Es muss selbstverständlich Wettbewerbe mit autonomer Jury geben. Außerdem bin ich der Auffassung, dass Hochhäuser auch nach ihrer kleinräumigen Wirkung am Boden beurteilt werden müssen. Und es sollte nach Möglichkeit gelingen, das Hochhaus teilweise für Nutzungen zu öffnen, die allgemein zugänglich sind – zum Beispiel für Gastronomiebetriebe.

Die Kölner Planungskultur war zuletzt eher sprunghaft. Wenn der Investor gezuckt hat, ist die Stadt gesprungen. Das kann nicht alleine am Dezernenten gelegen haben. Sie übernehmen auch sein Personal. Bekommen Sie das in den Griff?

Ja, sicher. Aber es geht weniger um das Personal als vielmehr um die Einstellung der Stadtgesellschaft. Da hat auch der Rat als letztendlicher Entscheidungsträger eine sehr hohe Verantwortung. Er muss gelegentlich entscheiden, ob er einem Investor grünes Licht gibt – oder ob er die Kraft hat, Vorhaben zurückzustellen, um nochmal in Ruhe über ihren Sinn nachzudenken. Ich muss als Stadtentwicklungsdezernent den Spagat zwischen Investorenfreundlichkeit und Qualitätssicherung schaffen. Genau dafür bin ich von den Fraktionen von CDU und Grünen in Köln im vergangenen Sommer ausgewählt worden. Natürlich werde ich mir immer Kritik anhören müssen – von der ein oder anderen Seite, häufig auch von allen Seiten. Dieser Kritik kann man nur begegnen, indem man auf die Leute zugeht: auf die Politik, die Immobilienwirtschaft, die Architektenschaft und die Bevölkerung.

Wie soll sich die schwierige Wohnungslage entspannen?

Wir brauchen eine städtische Antwort auf den Wunsch, ein eigenes Haus und eigenen Grund zu erwerben. Darauf gibt es Antworten: nämlich preiswerte Einfamilienhäuser. Neuen sozialen Wohnungsbau brauchen wir nur im Einzelfall.