: Polens erste EU-Kommissarin ist ein EU-Fan
Trotz Widerstands der Nationalisten will Premier Miller Europaministerin Danuta Hübner nach Brüssel schicken
Sie isst wenig, schläft kaum, reist viel und arbeitet noch mehr: Danuta Hübner, die Frau, die so sehr wie kein anderer polnischer Politiker für den EU-Beitritt ihres Landes geworben hat, wird die erste polnische EU-Kommissarin in Brüssel. Die Entscheidung für die parteilose Wirtschaftsprofessorin dürfte Regierungschef Leszek Miller allerdings nicht leicht gefallen sein. Denn in den letzten Tagen hatten die konservativen Oppositionsparteien „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und „Liga der Polnischen Familien“ (LPR) Front gegen die 55-Jährige gemacht.
Auch in den Medien hatten die kritischen Stimmen zugenommen, da die Europaministerin angeblich nicht „polnisch“ genug sei, die „nationalen Interessen“ Polens nicht „hart“ genug verteidige. Zudem sei es verdächtig, dass Hübner in Brüssel so hoch angesehen sei.
Mit anderen Worten: Ein Mann sollte her. Einer, der ordentlich auf den Tisch hauen kann und dessen Name allein schon bei den Brüsseler Beamten ein stöhnendes „Oh Gott, schon wieder dieser Pole“ auslösen würde. Doch allzu viele Kandidaten kamen nicht in Frage: Außenminister Cimoszewicz gilt als nicht interessiert, Jozef Oleksy wurde gerade erst zum Innenminister ernannt. Am ehesten hätte wohl der EU-Experte Jacek Sariusz-Wolski den Vorstellungen der Nationalisten entsprochen. Er selbst brachte sich auch durchaus in Stellung. Doch vor diese Wahl gestellt, gab es für Miller kein Zögern mehr.
„Danuta Hübner ist die Kandidatin der Regierung.“ Als dieser Satz im Radio fiel, liefen die Telefonleitungen heiß. Die EU-Befürworter in Polen beglückwünschten sich gegenseitig. Hübner gilt nicht nur in Brüssel, sondern auch in Polen als verhandlungssicher und charmant. Sie war es, die ihre Landsleute überzeugte, dass der Beitritt zur EU wirklich lohnt, man aber dafür auch etwas tun muss. Zuletzt stritt sie im EU-Verfassungskonvent für die Anerkennung Polens als „großes EU-Land“ und den Gottesbezug in der Präambel der Verfassung. Das Fiasko des Verfassungsgipfels hat die Ministerin ziemlich getroffen, doch diplomatisch geschickt äußerte sie sich dazu mit keinem Wort.
„Sitze in der letzten Reihe und dränge dich nicht vor: Wenn du gebraucht wirst, wird man dich schon rufen“ – diesen Rat ihrer Mutter habe sie befolgt und sei gut damit gefahren, bekannte sie in einem Interview. Tatsächlich ist ihre Stärke, dass die Gegner die zierliche Ministerin regelmäßig übersehen und unterschätzen.
Nach dem Studium an der Wirtschaftshochschule in Warschau promovierte Hübner 1974 und habilitierte 1980. Anfang der 90er-Jahre leitete sie als Chefredakteurin die Wirtschaftsmagazine Gospodarka Narodowa und Ekonomista, wandte sich aber schon 1993 der Politik zu. Erst war sie nur Beraterin im Finanzministerium, dann Kanzleichefin Präsident Kwaśniewskis. 1998 ging sie nach Genf und arbeite in der UNO-Wirtschaftskommission für Europa. Von da an ließ sie das Thema Europa nicht mehr los. GABRIELE LESSER