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Archiv-Artikel

Baldiger Urnengang im Irak

USA und Großbritannien wollen angeblich noch vor der Machtübergabe wählen lassen. Schiiten demonstrieren erneut. UN-Team erst Ende Juni nach Bagdad

BAGDAD ap/dpa/afp ■ Die USA und Großbritannien befürworten laut der britischen Zeitung The Guardian im Irak jetzt doch noch vor der für Ende Juni geplanten Machtübergabe Wahlen zu einer Übergangsregierung. Die britische Regierung habe sich von den Argumenten der Schiitenvertreter im Irak überzeugen lassen, dass Wahlen vor einem Abzug der von den USA geführten Zivilverwaltung unerlässlich seien. Außenminister Jack Straw habe seinen US-Amtskollegen Colin Powell wissen lassen, mit der Demokratie sei es wie mit dem Fahrradfahren. „Man muss in Bewegung bleiben, auch wenn es noch so wackelt.“

Entsprechende Äußerungen von Powell deuteten daraufhin, dass auch die USA bestrebt sind, einen Kompromiss zu erreichen. Powell erklärte jetzt, die USA hofften, den Zeitplan einhalten zu können. Es könne möglicherweise aber auch Änderungen geben, die für alle Seiten akzeptabel seien, sagte er.

US-Zivilverwalter Paul Bremer hatte sich am Montag in New York in einem Gespräch mit UN-Generalsekretär Kofi Annan um die Unterstützung der Vereinten Nationen bemüht. Annan zeigte sich zwar bereit, eine Expertengruppe nach Irak zu schicken, die die Möglichkeit baldiger Wahlen prüfen soll. Er verlangte aber zunächst Sicherheitsgarantien für ein solches Team.

Annan sagte gestern nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Joschka Fischer bei Baden-Baden, dass die UNO möglichst bis Ende Juni ein Expertenteam nach Irak entsenden wollen. Derzeit sei er in Kontakt mit den zuständigen Stellen in Irak und prüfe noch eine Reihe von Dokumenten, sagte Annan. Danach werde er entscheiden. Sollte sich die Organisation von Wahlen noch in diesem Jahr als unmöglich erweisen, müssten Alternativen gesucht werden, um „den Prozess voranzubringen“, fügte er hinzu.

Der irakische Kurdenführer Massud Barsani hält dagegen allgemeine Wahlen in diesem Jahr für unmöglich und findet es deshalb „unnötig“, dass Annan ein Team der Vereinten Nationen nach Bagdad schicke, sagte er gestern in Bagdad. Die Kurdenparteien lehnen baldige Wahlen ab, da sie bei einem möglichen Sieg der konservativen Schiitenparteien ihre Autonomie im Nordirak gefährdet sehen.

Derweil haben in Irak gestern erneut mehrere tausend Schiiten für baldige Wahlen demonstriert. Iraks Bevölkerung habe das Recht, ihr Regierungssystem selbst zu bestimmen, so ein Vertreter des Schiitenführers Ali Sistani bei dem Protestzug im südirakischen Samawa.