: Zukunftsplanung für Zivis oft unmöglich
KDV erhebt Vorwürfe: Kriegsdienstverweigerer werden im Ungewissen gelassen, ob sie Dienst ableisten müssen
BERLIN taz ■ Die Zentralstelle der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen (KDV) hat die Bundesregierung aufgerufen, stärker als bisher zu kontrollieren, wie die Wohlfahrtsverbände Zivildienstpflichtige behandeln. Dies forderte KDV-Geschäftsführer Peter Tobiassen bei einer Fachtagung über „Kriegsdienstverweigerung im 21. Jahrhundert“ in Berlin. Angesichts der aktuellen Situation, der sich viele Verweigerer ausgeliefert fühlen, müsse von den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege und der Regierung verlangt werden, endlich für mehr Wehrgerechtigkeit zu sorgen, sagte Tobiassen.
Vielen Kriegsdienstverweigerern würden die bereits von den Verbänden zugesicherten Zivildienststellen wieder entzogen, beklagte Tobiassen. Sie würden im Ungewissen gelassen, ob oder wann sie ihren Dienst beginnen können. Ihre Zukunftsplanung werde dadurch erheblich erschwert. Zum Hintergrund: Seit dem Haushaltsjahr 2000 teilt die Bundesregierung den Verbänden Zivildienstkontingente zu, die dann von den Trägern eigenverantwortlich verwaltet werden. Die Verbände entscheiden im Rahmen dieser Kontingente, wann und wohin Dienstpflichtige einberufen werden.
Während die Verbände klagen, dass ihnen in den vergangenen Jahren die Bundesmittel erheblich gekürzt worden seien und sie daher nicht allen Zivis eine Stelle geben könnten, stellt Tobiassen fest: „Die Verbände haben sich bei der Kontingentierung verhalten wie kleine Kinder, die mit ihrem Taschengeld nicht umgehen können – und ihre Kontingente bereits voll ausgeschöpft.“ Den Betroffenen rät der KDV-Geschäftsführer, sich von ihren weiteren Ausbildungsplänen nicht abbringen zu lassen. „Wer studieren kann, soll das machen, und wer eine Lehrstelle bekommt, soll sie annehmen und nicht auf die neue Entscheidung des Verbandes warten.“ Und wenn alle Stricke reißen, könne man man immer noch die KDV um Hilfe bitten.
Neben den Problemen bei der Dienstzuweisung wurde auf der Fachtagung in Berlin auch über grundsätzlichere Fragen diskutiert. So wiederholte die KDV ihre Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht. Außerdem wurde darüber diskutiert, dass sich der „Kriegsdienstverweigerer“ in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewandelt habe. „Sind Kriegsdienstverweigerer gar die besseren Menschen?“, fragte Pitt von Bebenburg, Redakteur bei der Frankurter Rundschau, in seinem Vortrag. Die einst pazifistischen Beweggründe für eine Verweigerung seien heute zumeist nicht mehr gegeben, stellte von Bebenburg fest. Heute lehnten junge Leute den Dienst an der Waffe auch ab, obwohl sie den Krieg nicht grundsätzlich ablehnten. Vor dem Hintergrund eines drohenden Irakkrieges sei die Frage nach der Motivation gegen einen Wehrdienst wieder wichtiger geworden, so von Bebenburg. „Aber es ist doch aufgefallen, dass bei den Antikriegsdemos ein Slogan fehlte: ‚Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin?‘ “
SEAD HUSIC