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Archiv-Artikel

Wer bin ich?

Demenzkranke stoßen selten in das Bewusstsein der Menschen vor – bis es in der eigenen Familie soweit ist. In Bremen entsteht jetzt die erste Wohngemeinschaft für Demenzkranke

taz ■ Morgens nach dem Aufwachen. Wer liegt denn da neben einem im Bett? Auf einmal fällt es einem wieder ein – und man erschrickt, weil man es vergessen hatte: Es ist der Ehepartner. Am nächsten Tag dauert es schon länger, bis man sich erinnert, auf der Straße grüßen einen wildfremde Personen, man schafft es als erwachsener Mensch nicht mehr rechtzeitig zur Toilette.

So oder ähnlich beginnt der schleichende Prozess der altersbedingten Demenz, der aus der bekannten eine völlig fremde Welt macht, in der man 24 Stunden am Tag auf fremde Hilfe angewiesen ist. Eine Situation, die grausam sein kann, und die etwa eine Million Menschen allein in Deutschland immer wieder erleben. In Bremen leben etwa 7.300 dementiell Erkrankte. Und nicht nur die Betroffenen selbst leiden unter dieser Situation, auch die Angehörigen sind mit dem Problem konfrontiert – und fast immer überfordert.

Momentan gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Situation zu lösen. Entweder man nimmt den Kranken in der eigenen Familie auf, was eine intensive Pflege seitens der meist nicht ausgebildeten Familienmitglieder erfordert und leicht zu Spannungen führen kann. Oder man gibt den Kranken in ein Heim, wo seine Grundbedürfnisse zwar gesichert sind, die soziale Komponente aber häufig zu kurz kommt.

In Bremen gibt es bald noch eine dritte Alternative. Die „WOGE“, ein noch sehr junger gemeinnütziger Verein, bemüht sich um die Gründung einer Wohngemeinschaft für Demenzkranke, in der acht Kranke von mindestens zwei qualifizierten Pflegekräften rund um die Uhr betreut werden und die eine Alternative zum Heimaufenthalt sein soll.

Initiatorin Dagmar Katz arbeitet in der Beschäftigungstherapie und konnte sich selbst ein Bild von der Situation der Dementen in den Pflegeheimen machen. „Diese Klientel rutscht durch alle Maschen“, ist Katz überzeugt. Die Wohngemeinschaft dagegen soll in einem gewöhnlichen, leicht umgebauten Wohnhaus mit „normaler“ Nachbarschaft gegründet werden. In Zusammenarbeit mit dem Sozialressort gelang es dem Verein bereits, ein geeignetes Grundstück zu finden. Mit Hilfe eines Investors soll auch das dazugehörige Haus umgebaut werden. Ziel der Wohngemeinschaft ist, dass „die persönlichen Tagesabläufe und individuelle Gewohnheiten erhalten bleiben“, wie es in einem ersten Informationsblatt heißt. Den Erkrankten soll so ein menschenwürdiges Leben in einer kleinen, familiären Gruppe gewährt werden.

Dass diese Idee kein bloßes Hirngespinst, sondern eine ernstzunehmende Alternative ist, beweist der große Erfolg ähnlicher Einrichtungen in Berlin, wo schon 60 Wohngemeinschaften existieren. Dagmar Katz sah einen Fernsehbericht über die Berliner Einrichtungen und war begeistert: „Als ich das gesehen habe, habe ich gedacht, das muss in Bremen auch möglich sein.“

Klappt alles, soll die erste WG am 1. Oktober bezugsfertig sein. Die Kosten sind leider nicht ganz niedrig. Etwa 2.000 Euro Eigenleistung müssen die Angehörigen monatlich aufbringen. Allerdings können die Kosten durch gelegentliche aktive Mitarbeit in der Pflege durch die Angehörigen noch gesenkt werden.

Ein weiterer Gedanke ist Dagmar Katz wichtig: „Wir werden auch den Hospiz-Gedanken mit einfließen lassen“. Die Bewohner sollen so lange wie möglich in der Wohngemeinschaft leben können – auch bis zum Tod, wenn es „medizinisch vertretbar“ ist, wie Dagmar Katz betont. Am Mittwoch, 19. März, findet um 19 Uhr ein Angehörigen-Abend im Gemeindehaus Horn I, Horner Heerstraße 28 statt, bei dem die letzten vier freien Plätze vergeben werden sollen. Die WOGE lädt Interessierte ein, sich an dem Abend gründlich zu informieren. Gerrit Koy

Die E-Mail-Adresse des Vereins ist:DieWogeBremen@aol.com