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Archiv-Artikel

Flammen-Tragödie im Reisebus

20 Senioren verbrennen nach einer Kaffeefahrt auf der Autobahn A 2 bei Hannover. Die Polizei hat nach gut einem Tag noch keine Erklärung für das Unglück. Eine heimlich gerauchte Zigarette wird als Ursache inzwischen ausgeschlossen

Selbst die Retter brauchen an diesem Tag einen Seelsorger, der ihnen den Weg aus der Katastrophe weist. „Da sind Bilder, die sich eingraben, Gerüche, die nicht aus der Nase gehen“, sagt Dietmar Krüger. Der Polizeipsychologe hat bereits kurz nach dem Bus-Unglücks am Dienstag Abend versucht, Kollegen bei der Verarbeitung zu helfen. 50 der 300 Retter waren in psychologischer Behandlung, weitere werden noch kommen.

Mittwoch Abend war immer noch unklar, was die Ursache für den schwersten Busunfall in Deutschland seit 1992 ist. 20 Tote und 13 zum Teil schwer Verletzte sind zu beklagen, nachdem ein Reisebus auf der Autobahn 2 kurz vor Hannover komplett ausbrannte.

Da es keine Passagierliste gibt, weiß derzeit niemand genau, für wen die Kaffeefahrt zum Erlebnisbauernhof in Westfalen mit dem Tod endete. „Die Opfer müssen teilweise mit ihren Sitzen herausgeschnitten werden aus den Trümmern“, erklärt Einsatzleiter Thomas Rochell. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt auf.

Als die Retter kamen, waren aus dem Bus schon keine Hilferufe mehr zu hören. Der 51-jährige Fahrer und zwölf weitere Insassen im Alter zwischen 46 und 79 Jahren hatten sich durch die vordere Tür des Busses retten können. Wer hinten saß, hatte keine Chance: Das Feuer hatte sich in der Bordtoilette an der Mitteltür entzündet. Und einige der Passagiere sollen gehbehindert gewesen sein.

Weil der Bus 1.500 Meter vom Unglücksort entfernt noch auf der Raststätte Garbsen eine Pause gemacht hatte, hält Regionsbrandmeister Bernd Keite eine heimlich gerauchte Zigarette als Brandursache „fast für ausgeschlossen“. Fest steht nur, dass sich der Innenraum des Busses blitzartig entzündet haben muss. „In einem Bus ist fast alles brennbar“, sagt Keitel – „bis hin zur Haut“. Einer Passagierin, die Rauch aus dem Bord-WC auf den Grund gehen wollte, war eine Stichflamme entgegengekommen. Offenbar stand der Bus Minuten später in Flammen.

Aufgebrochen waren die Senioren am Dienstag in der Früh. Viele hatten den „Prickingshof“ bereits mehr als zehn Mal besucht, für zehn Euro die Tour. Mitgebrachte Töpfe und Kochgeschirr, die noch in der Nacht zerborsten auf dem Seitenstreifen der A 2 lagen, sind abtransportiert worden – nur dunkle Flecken erinnerten am Mittwoch noch an die Tragödie in Flammen. KAI SCHÖNEBERG

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