: Schimmel, Sex und Skalps
Der Wehrbeauftragte als Weh-Beauftragter: Zahl der Klagen um ein Drittel angestiegen
BERLIN taz ■ Die Beschwerden von Bundeswehrsoldaten beim Wehrbeauftragten haben im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit der Schaffung des Amtes erreicht. Auch der diesjährige Bericht sei daher, „wie die vorhergehenden, ein Mängelbericht“, sagte der Wehrbeauftragte Winfried Penner gestern anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts in Berlin.
Die Klagen von Soldaten nahmen im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel zu. Und der Trend hält an. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres gebe es bereits 1.195 Eingaben. Das sind rund 13 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Vor allem die Auslandseinsätze führten zum Anwachsen der Klagen. So beschwerten sich viele Soldaten über ihre Einsatzdauer und Versorgungslage im Ausland. Sanitäre Einrichtungen seien in schlechtem Zustand. Leitungen seien verkalkt und es gebe „erhebliche Schwankungen der Mischwassertemperatur“. An Bord der im Seegebiet am Horn von Afrika eingesetzten „Alster“ kam es zu Schimmelbefall in den Kajüten wegen unzureichender Klimatisierung. Das Schiff beendete daraufhin den Einsatz.
Zudem litten die in Deutschland stationierten Truppen wegen der internationalen Einsätze. Der Abzug von hochwertigem Material sowie die Abkommandierung von Spezialisten schadeten der Ausbildung von Soldaten. Zusätzliche Etatkürzungen durch die Regierung bei gleichzeitiger Verkleinerung der Truppe erregten bei vielen Soldaten Ärger. „Es gibt gelegentliches Grummeln über die Regierung. Ich höre das bei Gesprächen“, merkte Penner an.
Bei der Integration von Frauen in die Streitkräfte zeige sich eine Normalisierung. Die Beschwerden der Soldatinnen seien ähnlich „breit gefächert wie bei ihren Kameraden“ und reichten von „Klagen über zu lange Bearbeitungszeiten von Dienstvorgängen bis hin zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen“. Klagen über sexuelle Übergriffe seien selten, dagegen beschwerten sich Soldatinnen eher über die „Befangenheit“ der Männer im Umgang mit weiblichem Personal und hätten das Gefühl mit „Samthandschuhen angefasst zu werden“. Pikant: Es habe auch Beschwerden von Soldatinnen über Kameradinnen gegeben, die sich als „Skalpjäger“ aufführten und damit protzten, zahlreiche Soldaten „aufgerissen“ zu haben. Damit degradierte man Kameraden zur „Tagbeute“, kritisierte Penner.
Zu Bedenken in der Bundeswehr über den möglichen Einsatz von Soldaten in Awacs-Flugzeugen während eines Irakkrieges, der völkerrechtlich nicht legitimiert wäre, steht im Jahresbericht, dass „präventive Konfliktbewältigung“ nur mit UNO-Mandat erlaubt sei. Die Bundesregierung behauptet, der Einsatz deutscher Soldaten in Awacs-Flugzeugen in der Türkei stelle keine Beteiligung an einem Krieg in Irak dar. SEAD HUSIC