Nach Gorleben?
Felix Huesmann

Seit 13 Jahren rollen Castoren ins Atommülllager Gorleben – unter heftigem Protest von Aktivisten. Am kommenden Wochenende soll es wieder so weit sein. Wer ist dabei, wer nicht? FELIX WERDERMANN hat sich umgehört

Auch dieses Jahr gibt es im Wendland viel zu tun. Los geht es am Freitag um 9 Uhr morgens mit einer Schülerdemonstration in Lüchow. Am Abend stehen mehrere Laternenumzüge auf dem Programm, unter anderem in Metzingen und Hitzacker. Für Samstag ruft die BI Lüchow-Dannenberg zu einer Großdemo um 13 Uhr in Gorleben auf. Um 20 Uhr findet in Gedelitz eine Info-Veranstaltung von „X-tausendmalquer“ statt. Unter dem Motto „Verschwörung der Zwerge“ treffen sich am Sonntag um 8 Uhr Menschen im Camp Hitzacker für eine Schienenblockade. In der Göhrde plant das Bündnis „Gemeinsam zum Zug kommen“ ebenfalls eine Gleisblockade. Anlaufpunkt für die Straßenblockade von „X-tausendmalquer“ ist das Camp in Gedelitz. Von Samstag bis Montag wird im Musenpalast in Laase Kulturprogramm angeboten. Weitere Infos: www.castor.de FW

Schüler aus Recke bei Osnabrück, 16.

Castor-Erfahrung: Keine. Er hat zwar schon in Büchel gegen Atomwaffen protestiert, war aber bislang noch nicht gegen die zivile Nutzung der Atomenergie aktiv. Er findet Atomkraft „total gefährlich“.

Das macht er am Samstag: Mit Freunden in Gorleben protestieren. „Man muss zeigen, dass viele dagegen sind.“ In den Tagen danach will er auch den Atommülltransport blockieren. In seiner Bezugsgruppe sind Gleichaltrige, aber auch etwas Ältere, die bereits Gorleben-Erfahrung mitbringen. „Wenn es überhaupt keinen Spaß machen würde, würde ich das auch nicht machen“, sagt er. Hauptsächlich gehe es ihm aber um Protest. Er möchte Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke verhindern.

Farina Müller

Soziologiestudentin aus Dresden, 21.

Castor-Erfahrung: Hat sie in Ahaus gesammelt, war bei Blockaden dabei, als sie noch in der Nähe wohnte. Im Wendland war sie auch schon – mit Freunden von Greenpeace vor zwei Jahren auf der Auftaktdemo.

Das macht sie am Samstag: Ausschlafen. „Ich habe viel zu tun in dieser Woche“, sagt sie. Zu Beginn des Studiums müsse sie erst mal „reinkommen“, führe aber gerne nach Gorleben, „weil man da ganz viele interessante, engagierte Leute trifft“. Deswegen will sie auch nächstes Jahr wieder dabei sein. Vielleicht liege ihr Zuhausebleiben aber auch daran, dass sie an der Universität noch niemanden getroffen hat, der mitkommen würde. „Schade, dass der Castor kein Thema ist an der Uni.“

Gerhard Hagemeier

Kanureiseveranstalter und Mediator aus Berlin, 47.

Castor-Erfahrung: Seit über 30 Jahren im Widerstand aktiv. Zweimal war er krank, ansonsten hat er keinen Castor-Transport verpasst. Schon in der Schule war er gegen die Atomenergie. Irgendwann hatte er keine Lust mehr auf „Latschdemos“, das Berufsleben ging los, die Familie forderte ihre Zeit. Die Sitzblockaden konnten ihn aber wieder begeistern. „Mehr kann ich nicht tun als einzelner Mensch.“

Das macht er am Samstag: Auf der Demo in Gorleben Freunde wiedertreffen. Seine Partnerin ist auch dabei, die Kinder nicht. Dass er den Castor dieses Jahr aufhalten wird, glaubt er nicht. „Aber man kann die Debatte neu beleben. Und man muss es teuer machen.“

Miriam Breckoff

Kunst- und Politiklehrerin aus Bremen, 35.

Castor-Erfahrung: Hat schon eine Sitzblockade mitorganisiert, war auch bei Castor-Transporten nach Ahaus dabei. Als Kind hat sie Bekannte im Wendland besucht, durch Tschernobyl wurde sie politisiert: „Da haben ich das erste Mal über Atomkraft nachgedacht.“

Das macht sie am Samstag: Erstmals seit zehn Jahren wieder gegen einen Castor-Transport nach Gorleben demonstrieren. Ihre Tochter ist jetzt acht Jahre alt, auf die Demo geht die ganze Familie: Ihr Freund hat noch zwei Söhne, zwölf und 15 Jahre. Der Druck von der Straße ist für sie wichtig, schließlich drohe die Renaissance der Atomenergie. „Die Lobby für Atomkraft ist sehr stark – wir müssen dagegenhalten.“

Theresia Bauer

Grüne Bildungspolitikerin aus Heidelberg, 43.

Castor-Erfahrung: War noch nie im Wendland, aber dafür in Wackersdorf dabei. „Biografisch hat das eine ganz große Rolle gespielt“, sagt sie heute. Schon mit 15 Jahren hat sie Bücher über Atomenergie gelesen, durch ihr Engagement gegen die Atomkraft ist sie erst zu den Grünen gekommen.

Das macht sie am Samstag: Erstmals ins Wendland fahren, zusammen mit Parteigenossen. Mit der Aufkündigung des Atomkompromisses sei die Zeit jetzt reif, so die Abgeordnete im Landtag von Baden-Württemberg: „Wenn es sein muss, dann gehen wir raus auf den Acker.“ Am Montag geht es allerdings schon wieder zurück – am Abend hat sie einen Termin in Heidelberg.

Sigurd Misselwitz

Ingenieur aus Syrgenstein bei Ulm, 46.

Castor-Erfahrung: Keine. Im Wendland war er nur auf Durchreise. Dafür hat er schon eine Photovoltaik-Anlage installiert, vor sieben Jahren sein Interesse an Energiepolitik entdeckt. 100 Prozent Erneuerbare hält er für erreichbar.

Das macht er am Samstag: An der Außenfassade seines Hauses arbeiten und mit seiner 15-jährigen Tochter die Sonne genießen. Seine Frau fährt mit dem Bus nach Gorleben – er selbst möchte nicht 20 Stunden im Bus verbringen. „Die eindeutigen Argumente gegen Atomkraft kenne ich schon seit Jahren – und die Politik macht trotzdem, was die Energielobby vorbereitet.“ Früher sei er optimistischer gewesen, heute ist er enttäuscht von der Politik.

Andreas Ottmer

Musiklehrer aus Osnabrück, 45.

Castor-Erfahrung: Hat er bereits in frühen Jahren gesammelt. Seine Eltern haben ihn nach Gorleben mitgenommen und sind heute noch aktive Atomkraftgegner. Auch in Ahaus und Brokdorf war er schon einmal.

Das macht er am Samstag: Eine Musik-Fortbildung geben und ein Konzert anhören. Mit seinem WUM-Theater reist er oft durch die Republik, „da kommt es auch mal ganz gut, zu Hause zu bleiben“. Außerdem hat er zwei Töchter im Alter von drei und fünf Jahren, die „Atomkraft – Nicht schon wieder!“-Aufkleber in ihrem Zimmer kleben haben. Zumindest im Privatleben will er so die Welt zum Guten wenden, auch wenn die Politik die Atomkraftwerke weiterlaufen lässt: „Das kann einen schon frustrieren. Ich weiß nicht, was da noch passieren muss.“