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Archiv-Artikel

Nicht nur gegen die Kälte

Über 3.000 Musliminnen und Muslime demonstrieren am Kölner Dom für das Recht von Frauen islamischen Glaubens, jederzeit Kopftuch zu tragen. Dies sei keineswegs „Symbol der Unterdrückung“

VON PASCAL BEUCKER

Lausig kalt ist es an diesem Samstag in Köln. Schneeregen fegt über den Roncalliplatz. Die Demonstrantinnen indes, die sich um 12 Uhr vor dem Dom eingefunden haben, sind passend gekleidet: Tücher schützen ihre Köpfe. Die tragen sie allerdings nicht nur heute und nicht nur bei schlechtem Wetter. Denn die versammelten Frauen gehören zu jenen Musliminnen, die in dem Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit einen unverzichtbaren Bestandteil ihres religiösen Bekenntnisses sehen.

Und sie sehen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit in Gefahr, wenn sie es nicht jederzeit und überall tragen können – etwa als Lehrerin im Klassenzimmer. Dafür gehen sie heute auf die Straße. „Lass mein Kopftuch in Ruhe!!!“, „Mutter Jesu trug auch ein Kopftuch!“ und „Das Kopftuch ist unsere Ehre, wir werden es beschützen“, ist auf den Transparenten zu lesen.

Aufgerufen zu der „Großdemonstration“, so die Ankündigung, hatte die „Muslimische Jugend Köln“. So groß ist der Umzug vom Dom über den Friesenplatz und zurück zwar nicht geworden. Aber nach Polizeischätzungen haben sich doch etwa 3.300 Protestierende vor dem Dom versammelt, darunter viele Mädchen und junge Frauen.

Männer machen jedoch mindestens die Hälfe der Demonstrierenden aus. Nicht wenige von ihnen sind ebenfalls religiös gekleidet. Die Losungen, die die Versammelten skandieren, muten vertraut an. Kein Wunder, sind sie doch vielfach der linken Parolenkultur entlehnt, wenn auch dem Anlass entsprechend abgewandelt worden: „Hoch die interreligiöse Solidarität“, heißt es nun. Oder: „Mein Kopf gehört mir!“ Oder: „Ich bin Muslim – und das ist auch gut so“.

Eine junge Frau ruft von der Bühne: „Ihr seid ein Signal dafür, dass die Demokraten in Deutschland erwacht sind!“ Ihren Kopf ziert ein besonderes Tuch: eine Deutschlandfahne. Die trägt auch eine weitere Rednerin. „Wir sind stolz auf Sie, Herr Bundespräsident Rau“, verkündet sie unter Beifall. Wegen seiner Ablehnung eines Verbots steht der Sozialdemokrat bei den Koptuchbefürwortern hoch im Kurs.

Der Islam sei „keine Freizeitbeschäftigung und wir sind keine Hobbymuslime“, gibt eine weitere Sprecherin kund. So sei auch das Kopftuch unverzichtbarer „Teil unseres Glaubens, es ist eine Pflicht“. Keineswegs jedoch sei es ein „Symbol der Unterdrückung“. Die gäbe es ja für Frauen gar nicht im Islam. Das sollten endlich auch westliche Feministinnen begreifen. Denn: „Viele der von ihnen mühsam erkämpften Frauenrechte hat uns der Islam schon vor 1.500 Jahren gewährt.“ Zum Abschluss bemüht die Vertreterin der Initiative „Mein Kopftuch“ auch noch eine Frau, die sich dagegen nicht mehr wehren kann: „Freiheit, um hier Rosa Luxemburg zu zitieren, ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.“ Mittlerweile ist es 15 Uhr geworden. Der Roncalliplatz hat sich bereits merklich geleert. Auf dem Programm steht noch eine musikalische Einlage: Ein muslimischer Rapper preist Allah. Dann ist die Veranstaltung beendet.