Lampe mit Knitterfalten

Gehäkelte Kakteen neben Computersimulationen: Das Museum für Kunst und Gewerbe stellt in der Ausstellung „Natur ganz Kunst – Positionen zeitgenössischer Gestaltung“ Fragen nach Authentizität

von karin liebe

Natur ist schön. Natur ist grausam. Zwischen Anbetung und Ablehnung bewegt sich seit Urzeiten das Verhältnis des Menschen zu seiner natürlichen Umwelt. Doch was ist heute im Zeitalter der virtuellen Welten überhaupt noch natürlich? Bietet ein Spaziergang am begradigten Flussbett ein stärkeres Naturerlebnis als der Geschmack einer genmanipulierten Tomate?

Wie zeitgenössische Künstler und Designer das aktuelle Wechselspiel zwischen Kunst und Natur reflektieren, das zeigt jetzt eine Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe mit 120 Arbeiten von 43 internationalen Künstlern und Designern. Bei der Schau „Natur ganz Kunst“ ging Kurator Martin Faass von einem unprätentiösen Naturbegriff aus. Er versteht Natur „als Landschaft, Pflanze, Garten, Wald und Blume – so, wie sie uns in der alltäglichen Praxis begegnet“.

Tiere und Menschen klammert er dabei mit einer Ausnahme aus: Otmar Hörls Fotografien von Aquarien im Frankfurter Zoo. Dafür ranken sich umso mehr Objekte mit floralen Motiven in den Vitrinen und an den Wänden im Forum Gestaltung entlang. Nicht gerade ein brandneues Sujet, ungewöhnlich sind allerdings oft die Materialien, mit denen die Schmuck-, Glas- und Möbeldesigner Naturformen dekorativ nachbilden. Astrid Niggeloh gestaltet Ketten und Ohrringe aus getrockneten Rosen, Stefanie von Scheven gießt echte Vergissmeinnichtblüten in ihre Ringe aus transparentem Gießharz, Karin Wagner stellt ihren üppigen Blumenschmuck aus Filz her.

Auffallend ist die überdurchschnittliche Präsenz von Künstlerinnen in dieser Ausstellung – und die Dominanz von „weichen“ Grundstoffen wie Filz und Wolle. Patricia Waller hat ihre „Staubfänger“ nach dem Vorbild kleiner Zimmerkakteen gehäkelt, die norwegische Video- und Fotokünstlerin Jorunn Irene Hanstvedt dagegen strickte eine dreieinhalb Meter hohe Wollskulptur nach dem Vorbild eines Riesenkaktus. Die Ähnlichkeit des Strickmusters mit der Oberflächenstruktur der Stachelpflanze ist tatsächlich verblüffend – schade nur, dass der Strickkaktus aus seiner „natürlichen“ Umgebung inmitten einer norwegischen Waldlandschaft herausgerissen werden musste.

Ausstellungsmacher Faass entdeckte neben den floralen Motiven noch einen weiteren Trend im aktuellen Design: die Liebe zum Organischen. Vom Formenreichtum der Natur, von ihren Rundungen und fließenden Bewegungen haben sich zahlreiche Künstler inspirieren lassen. Davon zeugen Vasen mit Bauchfalten, Schalen in Wellenform oder Seidenlampen mit zarten Knitterfalten, die an Korallen und Muscheln erinnern.

Einen Schritt weiter gehen Künstler und Designer, die direkt mit Naturfundstücken arbeiten. Wie der schottische Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy, der seine poetischen, zumeist flüchtigen Installationen aus Treibholz und Sand, Blättern, Zweigen oder Eis in der natürlichen Umgebung belässt und sie nur per Foto oder Film festhält. Oder wie Jürgen Bey mit Möbeln aus gepresstem Heu und Reet oder Charlotte Vögele mit fragilen, leider gar nicht tragbaren Kleidern aus Pinien- oder Fichtennadeln.

Doch so schön und originell die großzügig präsentierten Objekte zumeist auch sind, so kommt doch die Provokation, das Überraschende oft zu kurz. Kunst und Kitsch liegen gerade bei den floral inspirierten Ausstellungsstücken recht nah beieinander – wie bei Susanne Taras‘ riesigen Blumenbildern aus Wolle, die sich effektvoll in knalligen Farben an der Wand entlangranken.

Von viel grellem Naturalismus kann man sich bei den großformatigen Fotoarbeiten wieder erholen. Caroline Dlugos manipuliert am Computer Landschaftsaufnahmen, bis Realität und Fiktion nicht mehr auseinander zu halten sind. Und Thomas Mangold bringt das gar nicht stabile Verhältnis von Natur und Künstlichkeit in seiner Fotoserie über Tiergehege im Frankfurter Zoo auf den Punkt. Fiktive Wirklichkeiten bildet zwar die künstlich nachempfundene Natur realitätsgetreu ab, doch diese Szenerien, in denen sich kein einziges Tier bewegt, wirken auf uns so vertraut wie eine Marslandschaft.

Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe, bis 16. 1. 2005