zugeschaut
: Aufbruch aus dem Kleiderberg

Auf der Bühne ein Berg aus Kleidung und Schuhen. Drei Männer und zwei Frauen, alle in Schwarz, marschieren in einer Reihe, immer schneller, die Füße geben den Takt vor wie ein Metronom. Zuerst schert einer aus, dann alle: Sie nehmen sich den Berg vor, stolpern darüber, versuchen ihn zu beherrschen: Minutenlang trampeln sie darauf herum, bis er sich auflöst, bis sie selbst schwitzen und hyperventilieren.

Die „Store House Company“ aus Tokio ist Japans heißester Export in Sachen Bewegungstheater: kein Tanz, sondern Performance Art, bei der die Darsteller bis an ihre körperliche Belastungsgrenze gehen. „Territory“ heißt das Stück, das die 1994 gegründete Truppe in Köln aufführt, und um „Selbstfindung und Wiedergeburt“ soll es gehen.

Langsam ahnt man: Der Kleiderberg, das ist die Außenwelt, zu der jeder Mensch sein ganz persönliches Verhältnis finden muss. Den Akteuren scheint es erst mal nicht zu gelingen: Sie brechen zusammen, rollen durch den Kleiderberg – das Durcheinander, das Leben heißt, breitet sich über die Bühne aus. Im nachtblauen []Licht ziehen die Darsteller sich aus und von einander zurück: Immer noch rollend wickeln sie sich einzeln in transparente Plastikfolie – fertig sind die Embryonen in der Fruchtblase. Doch Weltverweigerung ist keine Lösung: Die Schauspieler kämpfen gegen die eigene Schutzhülle, nähern sich einander und betasten sich wie die ersten Menschen, zerreißen die Folie und vollziehen ihre Geburt als Individuen. Der Schluss bleibt offen: Die Figuren sind keine schwarz uniformierten, konturlosen Un-Wesen und auch keine geschützten Föten mehr. Doch in Gefälligkeit löst sich hier nichts auf – die Welt bleibt unsicher.

Ein bisschen erinnert dies an alte Happenings: expressive Posen und Gesten, Nacktheit, pathetischer Ernst in den Gesichtern der Akteure. Doch Regisseur Shingo Kimura geht weiter: Aus der anfänglichen Beiläufigkeit entwickelt er ein abendfüllendes, radikal durchchoreografiertes Körpertheater von suggestiver Sogwirkung. Häufige Lichtwechsel und teils bedrohende, teils beschwörende Keyboardbegleitung haben hieran einen entscheidenden Anteil. Gesamturteil: Unbedingt hingehen.

HOLGER MÖHLMANN

Weitere Termine: heute bis 1. Februar, jeweils 20 Uhr, Theaterhaus Köln, Stammstr. 38-40, Tel. 0221 / 261 11 50