: „Die schlimmen Pöbler“
Die kulturellen Differenzen zur CDU schwinden nicht, meint Grünen-Chefin Sibyll Klotz. Nur die „Arroganz“ Wowereits spreche für Schwarz-Grün
VON ROBIN ALEXANDER
taz: Ein kleines Zukunftsszenario: 2006 wird Laurenz Meyer Regierender Bürgermeister für die CDU. Seine Arbeits- und Sozialsenatorin heißt Sibyll Klotz.
Sibyll Klotz: Diese Vorstellung fällt mir wirklich schwer, obwohl zwischen Laurenz Meyer oder Friedbert Pflüger, der auch als CDU-Kandidat gehandelt wird, deutliche Unterschiede bestehen. Andererseits: In den letzten Jahren habe ich in der Berliner Landespolitik so viel erlebt, dass ich überhaupt nichts mehr ausschließen kann.
Warum tun wir uns so schwer mit der Vorstellung?
Hier prallen zwei grundverschiedene Kulturen aufeinander: im Alltag, in den Lebenskulturen, aber auch in den politischen Inhalten. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Debatte im Abgeordnetenhaus 1991: Es war schon 22 Uhr abends, und es ging um den Paragraphen 218. Die Beschimpfungen, die Pöbeleien, der Hass, der da aus den Reihen der CDU kam, haben mich richtig erschreckt. Die Grünen stehen für Liberalität, Toleranz und die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe. Die CDU stand in der Vergangenheit dagegen für ein sehr konservatives Bild von Zusammenleben: gegen Homosexualität und für die Mama-Papa-und-zwei-Kinder-Kleinfamilie.
Ist es in der Politik wie am Arbeitsplatz? Wenn die Chemie zu sehr gestört ist, geht es trotz gemeinsamer Interessen einfach nicht?
Ja. Schauen Sie: Klaus-Rüdiger Landowsky [Ex-Fraktionschef der CDU, Anm. d. Red.] hat fast zehn Jahre gebraucht, bis er es schaffte, mir einen Guten Tag zu wünschen. Es gab nur sehr wenige Gesprächszusammenhänge mit der CDU: Wir hatten lange kaum Kommunikation. Das macht für viele von uns die Vorstellung so schwierig, dass es einmal für einen begrenzten Zeitraum ein definiertes politisches Projekt Schwarz-Grün geben kann, das diese Stadt voranbringt.
Werden die kulturellen Dissonanzen nicht schnell vergessen sein, wenn 2006 die Regierungsbeteiligung lockt?
Die Vertreter der alten, konservativen, intoleranten CDU sind leider nicht nur alten CDUler, sondern eine bestimmte Männerriege in der Fraktion, die sich leider ganz erfolgreich verjüngt. Was Leute wie Kurt Wansner oder Frank Henkel zur Migrationsproblematik sagen, ist mit unseren Vorstellungen null kompatibel. Ich betone: null kompatibel. Und die schlimmen Pöbler, die mich damals so abgestoßen haben, die gibt es auch immer noch in der CDU-Fraktion. Es gibt aber andererseits auch einen Peter Kurth, den ich beim Christopher Street Day treffe und vor der FDP-Zentrale bei einer Kundgebung gegen Antisemitismus. Zu ihm und anderen in der CDU ist die kulturelle Kluft viel kleiner geworden. Leider sind die in Berlin noch in der Minderheit.
Glauben Sie, das gibt sich mit der Zeit?
Nein, nicht von allein. Den Liberalen in der CDU fehlt der Wille zur Macht. Wo waren sie denn, als nach Diepgens Abgang die Macht auf der Straße lag? Damals haben sie nicht zugegriffen. Sie werden sich irgendwann durchsetzen müssen.
Überbetonen Sie nicht das Kulturelle? CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer ist jung und gibt sich liberal: Aber die grünen Vorstellungen von Migrationspolitik hält auch er für „Sozialromantik“.
Seit seine Leute bei den Vorstandswahlen in der CDU-Fraktion eine Niederlage einstecken mussten, spielt Zimmer die beleidigte Leberwurst. Er glaubt jetzt, seinen Mannen in der Fraktion zeigen zu müssen, dass er doch ihres Geistes Kind ist.
2006 stellt sich vielleicht die Machtfrage …
… und die wird nicht anhand von kulturellen Unterschieden, sondern anhand von Inhalten entschieden. Noch ist das offen. Wir wissen ja nicht: Werden die dumpfen Hardliner 2006 die erste Reihe in der CDU stellen? Oder werden die führen, die eine liberal-konservative Großstadtpartei wollen? Das beobachten wir mit Interesse.
Ist Schwarz-Grün nicht die natürliche Reaktion auf Rot-Rot?
Einerseits betrachtet uns die SPD als natürlicher Koalitionspartner, anderseits haben sie diese Stadt erst zusammen mit der CDU ruiniert und sparen sie jetzt mit der PDS kaputt. Auch aus dieser Erfahrung wollen sich viele Grüne nicht mehr auf die SPD festlegen lassen. Das Ganze wird beschleunigt durch die ungeheuerliche Überheblichkeit und Arroganz, mit der Klaus Wowereit gegenüber der Opposition agiert. Das Atmosphärische spielt in der Politik natürlich eine Rolle. Wowereit jedenfalls gibt sich alle Mühe, sich so schlecht zu benehmen, dass aus einer rechnerischen Mehrheit für Schwarz-Grün auch eine politische werden kann.