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Archiv-Artikel

„Trübe Tradition des Antisemitismus“

Ein Leipziger Pfarrer kämpft für ein jüdisches Gemeindezentrum. Denn die Anwohner versuchen, den Bau zu verhindern. Ihre Argumentation: Juden in der Nachbarschaft seien ein Sicherheitsrisiko. Auch sinke der Wert ihrer Häuser und Grundstücke

AUS BERLIN FLORIAN OEL

Christian Wolff geht in die Offensive. Der Pfarrer der Leipziger Thomaskirche will den Streit um die Errichtung eines jüdischen Begegnungszentrums im Waldstraßenviertel öffentlich machen. Fünf Anwohner hatten gegen den Bau geklagt. Sie argumentieren, ihre Sicherheit sei nicht mehr gewährleistet, wenn sich in der Nachbarschaft eine jüdische Einrichtung befinde. Zudem verliere ihr Eigentum durch die Einrichtung des Gemeindehauses an Wert.

Diese Argumentation greift Pfarrer Wolff nun an. Die Kläger bewegten sich in der „trüben Tradition des Antisemitismus“, schreibt Wolff in einem einem offenen Brief in der Zeitschrift der Thomaskirche. Gegenüber der taz bezeichnete er das Vorgehen als „abenteuerlich“. Für ihn sei es ein Unding, Juden als Sicherheitsrisiko zu bezeichnen, nur weil deren Einrichtungen vor möglichen Angriffen geschützt werden müssten. Er forderte die Anwohner aus dem Nobelwohnviertel daher auf, ihre Klagen zurückzuziehen.

Das Begegnungszentrum soll im Ariowitsch-Haus, einem ehemaligen jüdischen Altersheim, errichtet werden. Es wurde im Dritten Reich geräumt und diente in der DDR-Zeit als städtisches Seniorenheim. Seit 1996 steht es leer – und wurde wieder der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig übertragen. Da diese in den vergangenen Jahren von 600 auf 1.000 Mitglieder gewachsen ist, benötigt sie nun ein neues Gemeindezentrum. Dafür möchte sie das alte Gebäude im Waldstraßenviertel nutzen.

Gegen die Nutzung an sich können die Anwohner nicht klagen. Angreifbar aber ist der Plan, einen unterirdischen Gemeindesaal zu bauen. Die Stadt willigte ein – und nun versuchen die Kläger, gegen die Baugenehmigung vorzugehen.

Der Stadtverwaltung an sich könne man keine Vorwürfe machen, sagt Doris Benner, Vizevorsitzende des Fördervereins Synagoge und Begegnungszentrum Leipzig, der Spenden für den Bau des Zentrums sammelt. „Leipzig hat alles getan, um das Projekt zu fördern.“ Die Stadt hat die Baugenehmigung erteilt, das Regierungspräsidium Leipzig hat sie in einem Widerspruchsverfahren bestätigt. Die Klagen gegen die Baugenehmigung müsse die Stadt nun aber leider hinnehmen, sagt Benner.

Thomaskirchenpfarrer Wolff, der Gründungsmitglied des Fördervereins ist, beklagt, dass in der Öffentlichkeit viel zu wenig über das Projekt bekannt sei. Eigentlich sollte schon im Oktober 2002 mit dem Bau des Zentrums begonnen werden. Es blieb beim Plan. Durch den Baustopp ist nach Angaben Wolffs auch die Finanzierung des Projekts gefährdet. Für die Baukosten in Höhe von etwa 4 Millionen Euro wollen zum großen Teil Stadt und Land aufkommen. Das Geld fließt jedoch nur dann, wenn die Jüdische Gemeinde selbst etwa 800.000 Euro beisteuern kann. Derzeit fehlen noch etwa 600.000 Euro.

Pfarrer Wolff und der Förderverein fürchten, dass nicht genug Spenden fließen, solange der Bau juristisch nicht freigegeben ist.