: Streik legt Dominikanische Republik lahm
Nach Verdoppelung der Lebenshaltungskosten wollen die Streikenden eine Korrektur der Wirtschaftspolitik
BERLIN taz ■ Beim zweitägigen Generalstreik in der Dominikanischen Republik ist es den Streikenden gelungen, nahezu das gesamte öffentliche Leben lahm zu legen. Geschäfte und Schulen blieben geschlossen, die öffentlichen Verkehrsmittel stellten den Betrieb ein. Bei dem massiven Einsatz von Ordnungskräften wurden allerdings auch acht Menschen getötet. Nach Informationen des „Nationalen Koordination für Einheit und Kampf“ wurden weiterhin mindestens 100 Personen verletzt und rund 500 verhaftet.
Nach Regierungsangaben richtete der Ausstand einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 60 Millionen Dollar an. Die Regierung sprach von einem Streik, der dem gesamten Land geschadet hat.
Doch damit heizt sie die Stimmung nur an. Das Streikkomitee fordert zwar weiterhin die Reduzierung der Lebensmittel-, Medikamenten- und Benzinpreise und eine Lohnerhöhung von 100 Prozent. Außerdem will sie die Versorgung mit Elektrizität in den ärmeren Vierteln gewährleistet sehen, da Stromabschaltungen oft bis zu 20 Stunden dauern. Es gelang der Streikbewegung also nicht, irgendeine ihrer konkreten Forderungen durchzusetzen. Doch die Streiks richten sich inzwischen gegen die Wirtschaftspolitik des sozialdemokratischen Staats- und Regierungschefs Hipólito Mejía insgesamt.
Die Wirtschaft des Landes ist seit geraumer Zeit außer Balance geraten. Und das hängt vor allem mit einer der größten Bankpleiten in der Geschichte Lateinamerikas zusammen. Mitte Mai vergangenen Jahres beendete die dominikanische Bankenaufsicht die Geschäftstätigkeit des zweitgrößten Geldinstituts des Landes. In der Kasse der Banco Intercontinental (Baninter) fehlten 55 Milliarden dominikanische Pesos, nach damaligem Kurs rund 2,4 Milliarden Euro. Der Staat übernahm die Verbindlichkeiten und garantierte Sparern und Anlegern ihre Einlagen, obwohl der Verlust von Baninter rund 67 Prozent des Staatshaushalts entspricht.
Das Verantwortungsbewusstsein der Regierung war allerdings weniger der Fürsorge für die Sparer, als dem Interesse geschuldet, zu verschleiern, dass Baninter-Chef Ramón Báez Figueroa die dominikanische Parteienlandschaft in all den Jahren mit rund 75 Millionen Dollar gepflegt hatte: Staatspräsident Hipólito Mejía hatte einen gepanzerten Luxusjeep erhalten, ebenso wie schon sein Amtsvorgänger Leonel Fernández. Mitglieder des obersten Gerichtshofs standen auf der Liste mit monatlichen Zuwendungen von Baninter ebenso wie Kleriker und hochrangige Armeeoffiziere. In den letzten Monaten vor dem Finanzcrash hatten die Bankmanager und einige ihre politischen Freunde Millionen von Dollar vorsorglich in Ausland verschoben.
Finanzieren will Staatspräsident Hipólito Mejía das Riesenhaushaltsloch mit Finanzspritzen des Internationalen Währungsfonds. Nur der zeigt sich immer zögerlicher. Die Finanziers aus Washington fürchten, dass das Geld für den beginnenden Wahlkampf, bei dem Mejía wieder kandidieren will, und nicht für die Sanierung der Finanzen benutzt wird.
Ende der Neunzigerjahre gehörte die Dominikanische Republik noch zu den Shootingstars finanzieller Wohlanständigkeit. Nach Jahrzehnten von Vetternwirtschaft, Korruption, Militärdiktaturen, marodierenden Banden und privaten Abzockereien, begann der damalige Staatspräsident Leonel Fernández von der Befreiungspartei (PLD) das Land ab 1996 erfolgreich neoliberal zu sanieren. Das Land verzeichnete mit acht Prozent die höchste Wachstumsrate in ganz Lateinamerika.
Seitdem der Baninter-Skandal allerdings öffentlich wurde, geht es wirtschaftlich wieder rapide abwärts. Die Dollarsparguthaben haben sich in den letzten Monaten um rund 627 Millionen US-Dollar reduziert. Der Wert des dominikanischen Pesos hat sich in knapp einem Jahr gedrittel. Die fast 50-prozentige Inflationsrate frisst die Einkommen auf. Weil der Staat über keine Devisen mehr für den Ankauf von Rohstoffen hat, arbeiten die Stromgeneratoren auf halber Leistung. Der Preis für Bohnen und Reis hat sich in den letzten Monaten verdoppelt.
Ein Großteil der Beschäftigten verdient monatlich gerade 3.000 Pesos, das waren vor einem Jahr noch 200 Euro, jetzt sind das nur noch 76. ULRICH DILLMANN