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Archiv-Artikel

Cäsar als Juso

So abstoßend wie der Krieg ist der Kitsch gegen ihn

Der Krieg hat auch ein Gutes: Die sprechende Unterhose Stefan Raab möchte wenigstens in Kriegszeiten den Menschen nicht mit „TV total“ lästig fallen. Das ist erfreulich, doch wäre dazu kein Krieg nötig gewesen. Eine Inkontinenzwindel ließe sich auch ohne einen militärischen Angriff auf den Irak um Raabs Kopf herumwickeln.

Im Krieg zerfällt der Mensch, so er nicht von einer Granate getroffen wird, in nur zwei Teile: Der Zuschauer hockt die Stunden gleich im Dutzend vor dem Fernsehkasten ab, kuckt sich die Augen wund und wundert sich hinterher, dass er so rumpeldumm im Kopf ist. Der Aktivist sieht erst etwas fern, läuft dann auf die Straße und schenkt Parolen aus. In Aschaffenburg drückte ein Schülersprecher die altersgemäße Mischung aus Cäsarenwahn und Jungsozialismus durchs Megafon: „Von Aschaffenburg geht ein Signal in die Welt … Kein Blut für Öl … Eine andere Welt ist möglich … not in our name.“ Mir hätte schon ein anderes Aschaffenburg gefallen, aber das ist schwer, da nimmt man doch lieber die ganze Welt. Damit die sehen kann: Beinahe so abstoßend wie der Krieg ist der Kitsch gegen ihn.

In der Elektropost fand ich diese Nachricht: „Wir haben gerade die Nachricht bekommen, dass die ‚Zugabe‘ für diese Woche wegen des Krieges im Irak, abgesagt ist.“ Die „Zugabe“ ist eine Unterhaltungssendung im WDR-Radio, die freitags und samstags abends läuft. Nicht aber an diesem Wochenende; die Wellenleitung von WDR 2 hat es beschlossen und verhängt. Dem Wunsch der „Zugabe“-Redaktion aber, ein Stück über Claudia Roths neuen Job als Menschenrechtstante in Joseph Fischers Wider- und Auswärtigem Amt zu schreiben, hätte ich entsprochen. Die Vorstellung, die bekennende Schlagergrandprixfanatikerin dürfe ihren notorischen Sulz nun auch noch auf frisch gefolterte, ganz wehrlose Menschen ausgießen, ist fürchterlich; mit Grund ließe sich hier von einer Verhöhnung der Opfer sprechen. In der „Zugabe“ hätten sich Kollegen mit dem Blair-Bush-Projekt im Irak beschäftigt, aber Pustekuchen – Bush rules, und balla-balla heißt die Regel, im Krieg streicht der Verstand direkt die Segel. Wie im Golfkrieg I, dem von Seniorbush gegen Hussein geführten, hat die Abteilungsleitersorte Mensch die Hosen voll und muss sehr dringend den Nachweis ihrer erfolgreich abgeschlossenen Idiotisierung erbringen. Denn es ist Krieg, da ist das Grundrecht auf intelligente Unterhaltung abgeschafft. Vielmehr hat der Mensch sich auf die Rationierung seiner geistigen Lebensmittel einzustellen, auf dass er erst richtig kriegstauglich werde.

WIGLAF DROSTE