: Vorschriften mit Verfallsdatum
Bremen ist anerkannte Modellregion der Entbürokratisierung. Aber im vergangenen Jahr sei beim Entrümpeln eigentlich nichts passiert, monierte jetzt die Handelskammer
Bremen taz ■ Dass nicht nur die verwalteten Bürger über die Bürokratie schimpfen, sondern auch Politiker, ist ein alter Hut. Warum zum Beispiel muss eine Verordnung regeln, welche Farbe Taxis haben dürfen? Eine radikale Entbürokratisierung zur Bewältigung der strukturellen Arbeitslosigkeit hat schon Helmut Schmidt gefordert – allerdings nicht zu Zeiten, in denen er Macht hatte, sondern als „Altbundeskanzler“.
Im Februar 2003 starteten die damaligen Fraktionsvorsitzenden der Großen Koalition in Bremen, Jens Eckhoff (CDU) und Jens Böhrnsen (SPD), zu einem Entrümpelungswettlauf: Der Bremer Senat setzte sich mit der Handelskammer zusammen und erarbeitete ein Papier. Die Kammer hatte klare Interessen: Bei kleinen Unternehmen fallen Bürokratiekosten von etwa einem Monatslohn pro Mitarbeiter an, viele der als „bürokratisch“ gebrandmarkten Regelungen schützen Arbeitnehmer.
Die Bundesregierung belohnte Bremen und beschloss, dass der Städtestaat zu den drei Modellregionen der „Initiative Bürokratieabbau“ gehören sollte, in denen Bundesgesetze versuchsweise außer Kraft gesetzt werden können. Doch seitdem sei nicht viel herausgekommen, bemerkte die Handelskammer unlängst. Da dem kaum zu widersprechen ist, haben die heutigen Fraktionschefs Jens Böhrnsen (SPD) und Jörg Kastendiek (CDU) nun einen neuen Vorschlag unterbreitet: Neue Verwaltungsvorschriften sollen mit einer Verfallszeit versehen, alle bestehenden Rechtsverordnungen überprüft werden und gewerbliche Bauanträge bei einer mehr als achtwöchigen Bearbeitungszeit automatisch als genehmigt gelten. Außerdem sollen in Zukunft die Behörden Nachweise bei anderen Verwaltungsstellen besorgen und den einzelnen Antragsteller nicht mehr auf den langen Weg zu den anderen beteiligten Ämtern schicken. Vor allem im Bereich des Steuerrechts und für Unternehmensgründer soll es Erleichterungen und Vereinfachungen geben. Beim Thema „Arbeitssicherheit“ allerdings konnten SPD und CDU sich bisher nur darauf einigen, dass bis zum Sommer „geprüft“ werden soll, inwiefern bei Kleinstbetrieben unter 10 Mitarbeitern die Kontrolle auf Stichproben reduziert werden kann. kawe