: „Moderate Reduktion“
Bundesumweltminister Jürgen Trittin ist der Ansicht, dass seine Pläne zum künftigen Emissionshandel die deutsche Industrie schonen
taz: Herr Trittin, Ihr Ministerium hat nun den Nationalen Allokationsplan vorgestellt. Danach gab es großen Protest bei der Industrie und dem Wirtschaftministerium. Der Vorwurf: Die Vorlage war nicht abgestimmt.
Jürgen Trittin: Das ist nicht richtig. Wir haben der Industrie vor 14 Tagen das Mengengerüst und einen Vorschlag geliefert, wie die Emissionsrechte verteilt werden. Die Wirtschaft wollte dann den „Erfüllungsfaktor“ wissen, der angibt, wie viel die Industrie tun muss, um das Reduktionsziel bis 2007 zu erreichen. Dafür mussten wir die Emissionen zwischen 2000 und 2002 kennen. Dazu kommen noch die Vergünstigungen für einzelne Betriebe und Branchen. Diese Daten lagen uns erst am Donnerstagabend vor, als die Sitzung stattfand. Wir haben diese Informationen sofort allen zur Verfügung gestellt, auch dem Wirtschaftsministerium. Ich bin sehr verwundert, dass eine sehr umfassende und gewünschte Information jetzt solche Reaktionen zeigt. Bisher wurde die komplette Information immer von der Industrie angemahnt.
Die Zahlen haben große Brisanz.
Wieso? Die Industrie hat zugesichert, von 508 Millionen Tonnen, der Basis von 1998, 45 Millionen Tonnen bis 2010 zu reduzieren. Davon wollten sie ungefähr 10 bei privaten Haushalten und beim Verkehr erreichen, 35 in den eigenen Bereichen und 20 sogar bis 2005. Nach unseren Vorschlägen muss die Industrie weit weniger reduzieren als das, was sie selbst versprochen hat.
Was heißt das?
Wir gehen davon aus, dass sie statt auf 473 Millionen Tonnen nur auf 480 Millionen kommen. Eine außerordentlich moderate Reduktion.
Warum sorgt das Thema für Streit?
Der Industrie fällt es offenbar schwer, sich zu einigen. Wenn nach unserem Vorschlag die Stahlindustrie wegen prozessbedingter Emissionen nicht reduzieren soll, dann müssen die Emissionen anderswo erbracht werden.
Jeder schiebt dem anderen den schwarzen Peter weiter?
Die Wirtschaft streitet sich darüber, wie diese Selbstverpflichtung eigentlich hätte aufgeteilt werden müssen. Dies wird jetzt kollektiv beim Umweltministerium abgeladen. Wir verteilen keine Wohltaten, sondern eine absolut begrenzte Menge von Emissionsrechten. Am Ende sind es 846 Millionen Tonnen, die die Bundesrepublik laut Kioto-Protokoll insgesamt an Emissionen 2012 noch ausstoßen darf. Wir haben keine Hintertüren, sondern müssen das zwischen Wirtschaft, Haushalten und Verkehr verteilen.
Und bei den Ministerien für Umwelt und Wirtschaft gehen die Meinung darüber jetzt auch offen auseinander.
Ich kenne keine alternativen Vorschläge aus dem Wirtschaftsministerium. Meinungsunterschiede kann man nur benennen, wenn man sagt, es gibt andere Vorschläge.
Sie sprechen wenig mit dem Wirtschaftsministerium.
Falsch. Das Wirtschaftsministerium war bei allen Gesprächen beteiligt.
Die Industrie sagt: Ihr Vorschlag ist höher als die Selbstverpflichtung.
Unsinn. Es gibt keine Zahlen, die das belegen. Jedes Kind kann rechnen, was 508 minus 45 ist. Das ist der Rahmen. Den werden wir nie in Frage stellen und nie darüber hinausgehen.
Die Industrie meint: Wenn Russland nicht das Kioto-Protokoll ratifiziert, gibt es keinen Emissionshandel. Warum soll Deutschland das dann tun?
Ob Russland ratifiziert, ist für uns in dem Bereich völlig irrelevant. Das europäische Recht bindet uns unabhängig von Kioto. Deutschland profitiert vom Emissionshandel. Durch ihn spart die deutsche Wirtschaft gegenüber der Selbstverpflichtung jährlich bis zu 500 Millionen Euro. Ich komme mir langsam blöd vor, dass ich permanent dafür plädiere, dass die deutsche Wirtschaft weniger belastet wird durch den Emissionshandel, und die Wirtschaft sagt, sie will das gar nicht.
Die Alternative wäre, bis 2007 kein Minderungsziel anzugeben.
Dann müsste Rot-Grün mit der Ansage in den Wahlkampf 2006 gehen, dass die deutschen CO2-Emissionen wieder ansteigen. Das wäre politisch nicht sehr klug. Wir haben die Wahl unter anderem deshalb gewonnen, weil wir in dieser Sache Kompetenz beweisen haben. Und wer will das? Die Industrie möchte ihre CO2-Emissionen bis 2005 um 20 Millionen Tonnen reduziert haben.
Glauben Sie das?
Das hat sie unterschrieben. Ich nehme das ernst, wenn Herr Rogowski etwas unterschreibt. INTERVIEW: BERNHARD PÖTTERMATTHIAS URBACH