: Das große Einknicken
Aus wahltaktischen Gründen kündigt US-Präsident Bush unabhängige Irakkommission an. Gefolgsmann Tony Blair will nachziehen. Bericht und Konsequenzen erst nach den US-Wahlen
BERLIN/WASHINGTON taz/dpa ■ US-Präsident George W. Bush hat eine unabhängige Untersuchung der umstrittenen Geheimdienstinformationen über irakische Massenvernichtungswaffen angekündigt. Das Gremium solle „überparteilich“ sein, sagte Bush gestern nach einer Kabinettssitzung in Washington. Bisher hatte der Präsident eine solche Untersuchung abgelehnt. Bushs Pläne setzen seinen Gefolgsmann, den britischen Premier Tony Blair, unter Druck, eine ähnliche Untersuchung durchzuführen. Die konservative Opposition, die Liberale Partei, aber auch einzelne Abgeordnete von Blairs Labour-Partei fordern bereits eine unabhängige Untersuchung. Die USA hatten den Krieg vor allem mit der Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak begründet.
Ein Regierungssprecher deutete an, auch Premierminister Tony Blair könnte seine Meinung nach der Veröffentlichung des Hutton-Berichtes geändert haben. In dem Bericht des Lordrichters Brian Hutton war die Regierung vom Vorwurf entlastet worden, den Selbstmord des Waffenexperten David Kelly im vergangenen Sommer mit verursacht zu haben. Nach der Veröffentlichung des Berichts ergebe sich nun die Möglichkeit, die „völlig gesetzmäßige“ Frage nach irakischen ABC-Waffen „in einem vernünftigeren Zusammenhang“ anzugehen.
Wie Blair hatte auch Bush einen unabhängigen Untersuchungsausschuss zunächst abgelehnt. Doch seit dem Rücktritt des UN-Waffeninspektors David Kay hatten Vertreter der oppositionellen Demokraten sowie einflussreiche Senatoren der Republikaner die Einrichtung eines solchen Gremiums gefordert. Der Ausschuss soll sich auch mit Fragen der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Geheimdienstinformationen über Terrororganisationen befassen.
Der Entscheidung für den Ausschuss liegen vor allem wahltaktische Überlegungen zugrunde. Gegenüber den Demokraten und kritischen Wählern kann Bush jetzt auf die unabhängige Untersuchung verweisen. Gleichzeitig ist angesichts des Programms sichergestellt, dass der Abschlussbericht erst nach den Präsidentschaftswahlen im kommenden November veröffentlicht wird.
„Wir wissen, dass Saddam Hussein die Absicht hatte und in der Lage war, großen Schaden anzurichten, wir wissen, dass er eine Gefahr war“, sagte Bush. Die Kommission, der Republikaner und Demokraten angehören sollten, müsse „analysieren, wo wir stehen und was wir in diesem Krieg gegen den Terror besser machen können“. B.S.
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