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Archiv-Artikel

Spekulationen um BKA-Chef

Angeblich tauscht Innenminister Schily bald Behördenspitze aus, um seine Autorität zu retten

VON OTTO DIEDERICHS

Vor vier Wochen kündigte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) überraschend an, ab 2006 große Teile des Bundeskriminalamtes (BKA) nach Berlin zu verlegen – die Mitarbeiter wehrten sich vehement, und dieser Streit scheint nun ein erstes Opfer zu fordern. Nach Medienberichten sei es nur noch eine Frage „von Tagen oder auch Stunden“, bis BKA-Präsident Ulrich Kersten abberufen werde.

Kersten sei beschädigt worden durch die Revolte der BKA-Beamten, heißt es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Beamten hatten zu Protestdemonstrationen aufgerufen und Personalversammlungen heimlich mitgefilmt. Sie warfen ihrem Chef vor, dass er sie nicht über die Umzugspläne informiert hatte. Dieses Schweigen soll Kersten mit Schily vereinbart haben.

Aus Koalitionskreisen verlautet inzwischen, dass Kersten „aus machtpolitischen Gründen“ gehen müsse. „Schily hat einen Autoritätsverlust in seiner wichtigsten Sicherheitsbehörde. Den muss er einfangen. Mit jedem Tag, den er mehr wartet, beschädigt er sich selbst.“

1996 war Kersten vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) zum BKA-Präsidenten ernannt worden – als politischer Beamter, der jederzeit kündbar ist. Damit reagierte Kanther auf die Erfahrungen mit Kerstens Amtsvorgänger Hans-Ludwig Zachert, der als unkündbarer Laufbahnbeamter kaum eine Gelegenheit ausgelassen hatte, die Sicherheitspolitik der Regierung zu attackieren. Kersten hingegen kann ähnlich wie ein Staatssekretär jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen werden. Damit sollte eine engere Anbindung an die politische Spitze erreicht und Widerstand minimiert werden.

Wie aus der der rot-grünen Koalition kolportiert wird, soll für den 63-jährigen Kersten eine neue Verwendung gesucht werden. So könnte er erneut die Bundesgrenzschutzabteilung im Innenministerium übernehmen, die er bereits vor seiner Berufung zum BKA-Präsidenten geleitet hatte. Momentan wird die Abteilung von Rüdiger Kass geführt – er ist nun als neuer BKA-Präsident im Gespräch. Auch der Chef von Europol, Jürgen Storbeck, gilt als Anwärter.

Gleichzeitig wird erwartet, dass auch Kerstens Vizepräsidenten Bernhard Falk und Rudolf Atzbach entlassen werden könnten. Atzbach ist erst im letzten Jahr zum Vize aufgerückt und gilt als wesentlich verantwortlich dafür, dass die millionenteuere Erneuerung des Fahndungscomputersystem INPOL-neu „an die Wand gefahren“ wurde. Mit ihm würde daher ein als fachlich schwach geltender Beamter entfernt. Doch würde dabei dann wohl auch der als kompetent geltende Falk „mit unterpflügt“, wie man beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fürchtet: „Alles andere wäre politisch kaum zu vermitteln.“

Weitere Personalveränderungen werden auf der Ebene der Abteilungsleiter erwartet. Diese hatten sich mit einem Schreiben an der „Kleiderordnung“ vorbei direkt an Schily gewandt und gegen die Umzugspläne protestiert – ohne den BKA-Präsidenten von diesem Schritt zu informieren. Dieser ungewöhnliche Vorgang solle nun ebenfalls Folgen haben, heißt es.

Verwirrung herrscht offenbar, wie es mit dem Außenstandort Meckenheim weitergehen soll. Während in der Koalition eine „Bestandsgarantie“ erwartet wird, ist der BDK-Bundesvorsitzende Klaus Jansen eher skeptisch. Er fordert, dass die Debatte um Meckenheim vorläufig „eingefroren“ wird, um die „Handlungsfähigkeit des BKA“ wieder herzustellen und später in eine neue „ergebnisoffene Diskussion“ einzusteigen.