: Zwischen alle Spiele gesetzt
Der nigerianische Nationalspieler Victor Agali wurde wegen nächtlicher Eskapaden von seinem Verband vom Afrika-Cup heim geschickt. Auch im Heimatclub Schalke 04 ist für ihn kein Platz
VON DANIEL THEWELEIT
Auch an diesem Mittag wippten sie lässig durch die Lobby des Hotel Kuriat Palace in Monastir. Teure Sonnenbrillen, goldene Uhren, manchmal könnte man die Spieler der Fußballnationalmannschaft von Nigeria auch mit Gangstar Hip-Hoppern aus einem MTV-Videoclip verwechseln. An diesem Tag waren auch die Blicke so böse wie jene der Musiker, niemand plauderte mit den Journalisten, die Atmosphäre war eisig. Gerade war der von Kapitän Jay-Jay Okocha angeführte Versuch gescheitert, den mitgereisten Sportminister Musa Muhammed umzustimmen. Der hatte verfügt, dass drei Spieler auf der Stelle aus dem Kader der nigerianischen Nationalmannschaft gestrichen sind: Celestine Babayaro, Yakubu Aiyegbeni und der Schalker Victor Agali seien, so die offizielle Version, erst um halb drei in der Nacht aus einem Klub ins Hotel zurück gekehrt. Des Sportministers Job hängt in Nigeria ebenso von den Erfolgen der Fußballer ab, wie jener des Nationaltrainers. Die nächtlichen Eskapaden waren daher zu viel, nachdem die Mannschaft zwei Tage zuvor das erste Spiel des Turniers vollkommen unmotiviert mit 1:0 gegen Marokko verloren hatte.
Dabei hatte Agali keine 24 Stunden vor dem Rauswurf in einem der tiefen Ledersessel in der Lobby gesessen und Disziplin, das Zauberwort dieses Afrika-Cups, gepredigt. „Wir haben hier alles ein wenig zu leicht genommen“, hatte Agali gesagt, „jetzt geht es darum, das Team wieder in den Mittelpunkt zu stellen. In dieser Mannschaft war es schon immer ein Problem, alle dazu zu bringen, sich gemeinsam für einen Sache einzusetzen.“ So schwer offensichtlich, dass es dem Noch-Schalke-Stürmer nur wenige Stunden später selbst nicht gelingen wollte. Hartnäckig hielten sich in der Lobby die Gerüchte, dass es sich gar nicht um einen nächtlichen Ausflug gehandelt habe, sondern um weiblichen Besuch auf den Zimmern. Wie dem auch sei, die drei Spieler reisten ab. Als Nigeria tags darauf mit 4:0 gegen Südafrika gewann, war Agali schon unterwegs nach Deutschland.
Dabei fühlt er sich dort im Augenblick gar nicht sehr wohl, wie er in der tunesischen Sonne offen zugegeben hatte. „Meine Situation ist der von Emile Mpenza sehr ähnlich“, sagte er. „Er musste den Klub wechseln, um den Kopf wieder frei zu bekommen und um gut Fußball zu spielen.“ Das sind deutliche Worte, aber Agali begreift seine emotionale Kühle gegenüber dem Klub als Reaktion auf das ungnädige Verhalten der Fans seiner Person gegenüber, das er als extrem ungerecht empfindet. „Es ist normal, dass die Fans von einem wichtigen Spieler mehr verlangen. Aber Fußball ist nicht Tennis, wenn es mit dem Team nicht läuft, kann man als einzelner nicht viel machen.“
Da war sie wieder, die Sache mit dem Team, dem Lieblingsstoff der Nigerianer, aus dem sie Dramen inszenieren, die eine tägliche Seifenoper füllen würden. Schon im Vorfeld des Afrika-Cup waren haarsträubende Wochen vergangen. Im Trainingslager gab es Probleme mit den Visa, Freundschaftsspiele im Vorfeld des Turniers wurden erst so spät organisiert, dass man keine adäquaten Gegner mehr fand, und vor dem ersten Spiel musste die Mannschaft mit Boykott drohen, damit der Verband die versprochenen Prämien ausbezahlte. Außerdem hatte man im November Trainer Christian Chukwu, einen Nigerianer, abgesetzt und verkündet, dass der Brite Bryan Robson die Mannschaft nach Tunesein führen werde. Ein paar Tage später wurde alles wieder rückgängig gemacht, Robson war zu teuer.
Diesem Chaos, das längst nicht mehr im Umfeld aller afrikanischen Mannschaften herrscht, ist der Stürmer also entkommen. Zuhause ist es nicht besser: Trainer Jupp Heynckes plant nicht mehr mit Agali. Ein kurzfristig angedachter Wechsel scheiterte. Agali wird nun seinen Vertrag bis Saisonende absitzen. Im Kader für das morgige Heimspiel gegen 1860 München ist für Victor Agali schon kein Platz mehr frei.
Es würde ihm dabei schon besser gehen, wenn er wenigstens bei den Fans Anerkennung fände. Deren Kritik trifft ihn sichtlich. „Es gibt einen Spieler, der hat in der ganzen Hinrunde nicht ein einziges Tor geschossen, aber das ist ein Publikumsliebling. Und der bleibt auch Publikumsliebling, wenn er Scheiße spielt“, sagte Agali am Ende des Gesprächs mit einer gehörigen Portion Wut in der Stimme. In Tunesien hat er die Chance verpasst, diesen Schmerz mit der Liebe der Nigerianer zu lindern. Denn die sind nun auch richtig sauer auf die drei Jungs mit dem Faible für nächtliche Eskapaden.