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Ahaus vor Ausnahmezustand

Anti-Atom-Initiativen warnen: Neue Castor-Transporte stehen kurz bevor. Polizei verstärkt Präsenz, Technisches Hilfswerk alarmiert. Rathaus vor heutiger Demonstration mit Bannmeile abgeriegelt

VON ANDREAS WYPUTTA

Anti-Atom-Initiativen aus dem Münsterland warnen, der neue Castor-Transport in das Zwischenlager Ahaus stehe kurz bevor. Bereits Ende Februar oder Anfang März könne hochgiftiger Atommüll aus dem DDR-Forschungsreaktor im sächsischen Rossendorf ins Münsterland gebracht werden, so die Bürgerinitiative (BI) ‚Kein Atommüll in Ahaus‘, das Münsteraner Bündnis ‚Stoppt Atomtransporte‘ und die Initiative ‚Widerstand gegen Atomanlagen‘ (WIGA) unter Berufung auf „gut informierte Kreise“. Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Sachsen wollten so zusammen mit der Polizei Fakten schaffen und Proteste umgehen.

Bereits jetzt hat die Polizei ihre Präsenz in Ahaus verstärkt: „Es sind wieder Einheiten aus dem Ruhrgebiet hier“, sagt der BI-Vorsitzende Burkhard Helling. „Die haben wir seit Jahren nicht mehr gesehen.“ Hubschrauber seien im Einsatz, das Technische Hilfswerk bereits alarmiert, so WIGA-Sprecher Matthias Eickhoff zur taz. Schon beim letzten Castor-Transport nach Ahaus habe die Landesregierung versucht, den Transporttermin zu verheimlichen und ein „regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel veranstaltet“. Diese Taktik zur Verhinderung von Demonstrationen sei ein „Skandal“, dennoch seien die Initiativen „gewarnt und auf alle Eventualitäten vorbereitet“.

Als erste Reaktion wollen die Anti-Atom-Aktivisten ihren so genannten Autobahnaktionstag um eine Woche auf den 28. Februar vorziehen. Anwohner entlang den Strecken von Rossendorf bei Dresden nach Ahaus sollen durch verschiedene Aktionen auf das „unkalkulierbare Risiko Atomtransporte“ hingewiesen werden – die statt eines Bahntransports angedachte Lieferung per LKW-Schwertransport werde zu „Autobahnsperrungen, Staus und einem enormen Polizeiaufwand“ führen. Das Urteil der Initiativen: „nicht akzeptabel“.

Schwer bewacht wurde bereits gestern das Ahauser Rathaus: Für die seit Wochen angekündigte, parallel zur Ratssitzung stattfindende Demonstration gegen die Castor-Transporte sahen Polizei wie CDU-Bürgermeister Dirk Korte eine besondere Gefahrenlage, die eine „Bannmeile“ erfordere – das Rathaus wurde über 60 Meter Länge abgegittert.

Das NRW-Innenministerium dementierte dagegen auf taz-Anfrage jegliche Transport-Vorbereitungen. „Wir sind der Meinung, dass innerdeutsche Atomtransporte nicht nötig sind“, beschreibt Sprecher Ulrich Rungwerth die Haltung von Innenminister Fritz Behrens (SPD). „Soweit sind wir noch lange nicht.“ Das Energieministerium scheint dagegen von einer baldigen Lieferung auszugehen: „Das Genehmigungsverfahren ist weit fortgeschritten“, heißt es in einem Schreiben, das der taz vorliegt. „Mit einer Entscheidung wird Anfang 2004 gerechnet.“

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