DIE CDU-CHEFIN KLAMMERT SICH AN BUSH – UND ZEIGT IHRE STÄRKE : Merkel diszipliniert ihre Partei
Was geht bloß in Angela Merkel vor? Die Bundesregierung hat die Mehrheit der Bevölkerung fast nur noch mit ihrer ablehnenden Haltung zum Irakkrieg hinter sich – auf allen anderen politischen Feldern bläst ihr der Wind ins Gesicht. Statt jedoch dieses Klima für die Union zu nutzen, meldet sich die CDU-Vorsitzende immer wieder ausgerechnet zur Außenpolitik zu Wort. Ihre prononcierte Solidarität mit Washington bringt nicht nur Teile der eigenen Basis, sondern auch führende Politiker in den eigenen Reihen gegen sie auf. Ist Angela Merkel von allen guten Geistern verlassen?
Ist sie nicht. Je länger der Streit um den transatlantischen Kurs in der Union dauert, desto deutlicher zeichnet sich ab, dass die CDU-Vorsitzende eine durchaus aussichtsreiche Strategie verfolgt: Sie stellt die Machtfrage – und sie hat bereits wichtige Punktsiege erringen können. Eine Opposition erringt auf dem Gebiet der Außenpolitik zwar nur selten Lorbeeren, sie muss aber dort auch weniger Rücksicht auf Lobbygruppen und Verbände nehmen als in der Sozialpolitik. Deshalb eignen sich außenpolitische Fragen so gut zur Klärung innerparteilicher Machtverhältnisse. Angela Merkel hat Solidaritätsbekundungen von einigen Parteifreunden erzwungen, denen anzumerken war, dass sie sich eigentlich lieber die Zunge abgebissen hätten. Aber es blieb Politikern wie dem ehemaligen Fraktionschef Friedrich Merz und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen. Für eine Palastrevolution sind sie nicht stark genug, und diese Erkenntnis macht die Parteivorsitzende noch stärker. Die Gegner ihres Kurses, die mit offenem Visier antreten, können ihr derzeit ohnehin nicht gefährlich werden: zwei eher blasse CDU-Ministerpräsidenten und ein gescheiterter Kanzlerkandidat – was soll’s.
Als angenehme Begleiterscheinung mag Angela Merkel es werten, dass sie nun auch das ungeliebte Image der wankelmütigen Liberalen abstreifen konnte. Und wenn der Krieg noch schauerlicher wird? Dann wird auch Washington dazu eine Haltung einnehmen müssen. Der kann sich die CDU-Vorsitzende dann anpassen oder auch nicht. Sie hat nicht alle Optionen vergeben. BETTINA GAUS