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Archiv-Artikel

Weise demontiert Hartz

Der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit dämpft die Hoffnungen auf bedeutend mehr Jobs. Das könne selbst eine professionelle Arbeitsvermittlung nicht leisten. Die Verheißungen von Hartz und Clement entpuppen sich als Luftschlösser

Das Reformwunder durch die Hartz-Gesetze hat einen Dämpfer erfahren. Der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, selbst ist es, der keine Chance sieht, dass sich die Arbeitslosenzahlen schnell und deutlich erholen könnten. Im Moment sind 4,6 Millionen Menschen ohne Arbeit. Sollte es in den nächsten Monaten zu einem Wirtschaftsaufschwung kommen, rechnet Weise bis Herbst dieses Jahres zwar mit einem Rückgang der Zahlen auf nur noch vier Millionen Arbeitslose – doch viel mehr Hoffnung machte er in einem Interview mit der Welt am Sonntag nicht. Weise setzt sich damit deutlich von der Euphorie des Erfinders einer Bundesagentur, dem VW-Manager Peter Hartz ab.

Ein radikaler Abbau der Arbeitslosigkeit sei langfristig unrealistisch, sagte Weise. „Eine Idee, dass man die Arbeitslosigkeit halbieren und dies gar selber verantworten könnte, ist abenteuerlich.“ Eine „voll professionelle“ Arbeitsvermittlung könne die Quote allenfalls um einen Prozentpunkt senken, also von derzeit elf auf zehn Prozent. Das müsse das Ziel sein, „das sich in ein paar Jahren erreichen lässt“, sagte Weise. So demontiert der neue Chefarbeitsvermittler den ehemaligen Vorsitzenden der Sozialreformkommission, Peter Hartz, geradezu. Im Oktober 2002 hatte der getönt, wenn seine Reformvorschläge umgesetzt würden, könne man „in 30 Monaten zwei Millionen Jobs schaffen oder zwei Millionen Arbeitslose weniger haben“. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte mit großen Zahlen für die Durchsetzung der Hartz-Reformen geworben. Noch im Herbst meinte er, so könnte die Arbeitslosigkeit um 20 Prozent gesenkt werden.

Auch in einem weiteren Punkt macht Agenturchef Weise wenig Hoffnung: In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung räumte er ein, dass Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Weiterbildungen häufig keine Jobs bringen oder gar kontraproduktiv seien. Er kündigte an, er wolle in der nächsten Zeit überprüfen, was einzelne Arbeitsmarktinstrumente wie etwa Eingliederungszuschüsse oder ABM wirklich bringen. Das werde heikel, „weil wir natürlich einigen auf die Füße treten“. Fraglich ist, ob sich Weise mit diesen Maßnahmen durchsetzen kann. Er hat bereits erkannt: „Es kann auch ein politisches Ziel sein, Menschen, die keine Stelle finden, mit ABM arbeitsmarktfähig zu halten. „In das politische Spiel mische ich mich nicht ein“, sagt er. Einen, wenn auch schwachen Trost hat Weise aber doch zu bieten: Auf mancherorts befürchteten fünf Millionen Arbeitslosen, verkündete er, werde Deutschland wohl nicht so bald kommen.

FLORIAN OEL (mit AP, DPA)