Ein bisschen Erholung von der Wirklichkeit

Nach Europa 2003 widmet sich das „Kulturland Brandenburg“ in diesem Jahr dem Thema „Landschaft und Gärten“. Schwerpunkte der 50 Veranstaltungen sind die Lausitz und Neuruppin. Doch auch dort ist nicht alles beschaulich

Zufall oder nicht? Nachdem die Kampagne „Kulturland Brandenburg“ letztes Jahr ihren Schwerpunkt auf „Europa ist hier“ legte, stehen dieses Jahr „Landschaft und Gärten“ im Mittelpunkt. Ein Vorgriff auf die Zukunft des Landes? Bleiben Brandenburg nach der Osterweiterung nur noch Gärten und Gärtner?

Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) lacht. Nein, sagt sie und muss ein bisschen ausholen, um jeden Verdacht auszuräumen. Dass das Kulturland 2004 unter diesem Motto stehen würde, habe schon lange (und vor dem Ende der Chipfabrik) festgestanden. Schließlich gehörten Gärten und Landschaft, Schlösser und Parks von jeher zum kulturellen Kernbestand Brandenburgs. Gleichwohl ist es Wanka, der Kulturlands-Chefin Brigitte Faber Schmidt und Projektleiterin Petra Kabus zu verdanken, dass das diesjährige Spektakel mit über 50 Veranstaltungen und drei regionalen Schwerpunkten keinen alten Wein in neuen Schläuchen einschenkt. „In der Veränderung der Landschaft bildet sich auch die Veränderung der Gesellschaft ab“, sagt Petra Kabus und formuliert damit den Grundgedanken der diesjährigen Kampagne, einen überaus offenen und sozialen Begriff der Landschaft.

Es ist deshalb kein Zufall, dass einer der Projektschwerpunkte in Forst liegt. „In Forst“, sagt Markus Kiessling von der Künstlergruppe Spacewalk, „dringt die Landschaft bis in die Mitte der Stadt vor.“ Beispiel dafür ist der Abriss eines Plattenbaus am Marktplatz im vergangenen August. „Da Hilfe von außen nicht zu erwarten ist, müssen sich die Menschen selbst um ihre Zukunft kümmern“, sagt Kiessling. Oder mit den Künstlern von Spacewalk zusammenarbeiten. Bis August soll das „Forster Tuch“ entstehen, ein aus Einzelteilen zusammengewebtes Tuch, das nicht nur an die guten alten Zeiten der Textilstadt erinnert, sondern auch die Wünsche und enttäuschten Hoffnungen der Forster kenntlich macht. Jeder Forster, erklärt Kiessling, ist aufgefordert, selbst ein Stück Tuch herzustellen, aus dem dann ein riesiges Patchwork entsteht.

Neben solcher Experimentierfreude darf natürlich auch Traditionelles nicht fehlen. Der zweite regionale Schwerpunkt von „Kulturland Brandenburg“ findet in Neuruppin statt. Dort wird am 23. April eine Ausstellung mit dem Titel „Der grüne Mantel der Städte“ eröffnet, eine Schau über Brandenburger Stadtbefestigungen einst und heute. Im Mittelpunkt stehen dabei die Wallanlagen von Neuruppin, Altlandsberg, Luckau, Treuenbrietzen und Wittstock.

Der vielleicht exotischste Beitrag zum Brandenburger Kulturleben kommt aus Lübben. Dort existiert seit einiger Zeit ein Weinmuseum, das jetzt endlich auf die vergessene Geschichte der Lausitzer Weinberge aufmerksam machen möchte. „Unzählige Weingärten und nahezu 400 Weinberge“, so Museumsleiterin Christina Orphal, „zeugen von einer Kulturlandschaft, die nicht nur an klimatischen Veränderungen zugrunde gegangen ist, sondern auch wegen des veränderten Geschmacks in Brandenburger Landen.“

Stadtlandschaft, begrünte Wallanlagen, vergessene Weingärten, all das macht neugierig und ein bisschen wehmütig zugleich. Gärten und Landschaften sind eben Orte und Räume, von denen bricht man nicht auf, in die zieht man sich eher zurück. Vielleicht aber hat das Brandenburg auch nötig, einen Sommer und ein Kulturlandjahr lang Erholung von der Wirklichkeit, bevor es dann im September nach den Wahlen wieder Herbst wird und kalt. Vielleicht hat es sich bis dahin aber auch herumgesprochen, dass die Wirklichkeit auch ein Garten sein könnte. Das ist immerhin noch besser als eine Themenpark zu „Steppe“ oder „Wüste“. UWE RADA

Informationen unter www.kulturland-brandenburg.de