: Die Geldprobleme des Magnus G.
Heute wird der Jurist angeklagt, den Jungen Jakob von Metzler erstickt zu haben. Sein Geständnis aber war erpresst
FRANKFURT/M. taz ■ Magnus G. könnte im Gerichtssaal auf der anderen Seite sitzen. Das erste juristische Staatsexamen hat er vor kurzem bestanden – mit einer externen Prüfung in der hessischen Justizvollzugsanstalt Weiterstadt. Doch statt Gerichtsreferendar ist Magnus G. jetzt Angeklagter. Der 27 Jahre junge Mann, dem unter anderem vorgeworfen wird, den elfjährigen Bankierssohn Jakob von Metzler „aus Habgier ermordet“ zu haben, sitzt seit seiner Festnahme Ende September 2002 in Untersuchungshaft. Ab heute wird vor der 22. Strafkammer am Landgericht in Frankfurt verhandelt.
Ein spektakuläres Verfahren. Denn seit bekannt wurde, dass der Frankfurter Vizepolizeipräsident Wolfgang Daschner versucht hatte, den der Tat dringend Verdächtigen Magnus G. während einer polizeilichen Vernehmung mit der – verbotenen – Androhung von Gewalt zu einer Aussage über den Aufenthaltsort des entführten Jungen zu nötigen, ist die „Mordsache Jakob“ zum Politikum avanciert.
Welche Verhörmethoden darf die Polizei bei der Vernehmung mutmaßlicher Täter anwenden, wenn es um die Rettung des Lebens ihrer Opfer geht? Diese Frage irritiert, zu selbstverständlich war die Republik vom Folterverbot ausgegangen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sprach sich strikt gegen das „Aufweichen“ des Verbots aus. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) dagegen äußerte „Verständnis“ für die Vorgehensweise der Polizei „in diesem konkreten Fall“. Daschner selbst macht sich keine Vorwürfe: „Ich habe so gehandelt, um das Leben des Jungen zu retten.“ Und er glaubt zu wissen, dass „ein Großteil der Bürger“ dies unterstütze. Die Staatsanwaltschaft ist davon nicht beeindruckt. Sie hat gegen Daschner ein Ermittlungsverfahren wegen des „Anfangsverdachts auf Aussageerpressung“ eingeleitet. Es gehe dabei um „ganz schwierige Rechtsfragen“, sagte der Frankfurter Oberstaatsanwalt Rainer Schilling – und um juristisches Neuland.
Dieses Terrain wird wohl auch der Anwalt von Magnus G. betreten wollen. Der Prozess gegen seinen Mandanten sei durch die Gewaltandrohung der Polizei „theoretisch höchst gefährdet“. Und in der Praxis? Die Staatsanwaltschaft verweist darauf, dass das Geständnis vor einem Untersuchungsrichter wiederholt wurde. Ob das ausreicht, muss das Gericht nun entscheiden.
Angeklagt ist Magnus G. wegen heimtückischen Mordes, Entführung, Erpressung und Diebstahls. Am Freitag, dem 27. September 2002, soll der Jurastudent den Schüler an einer Bushaltestelle in Sachsenhausen abgepasst und in seine Wohnung gelockt haben. Dort habe er ihn mit einem Kissen erstickt. Von den Eltern forderte er eine Million Euro Lösegeld. Bei der Geldübergabe wurde Magnus G. festgenommen.
Lange schwieg sich der mutmaßliche Täter aus. In der Hoffung, Jakob noch lebend zu finden, durchsuchte die Polizei tagelang Gebiete rund um Frankfurt – vergeblich. Erst am 1. Oktober erzwangen die Polizisten von ihm das Geständnis. Die Leiche wurde an einem Waldsee in der Nähe von Schlüchtern gefunden.
Magnus G. soll weit über seine Verhältnisse gelebt haben. Seiner anspruchsvollen 16-jährigen Freundin habe er imponieren wollen, sagen Bekannte. Seine Clique habe aus „betuchten jungen Männern und Frauen bestanden“. Da wollte der Ingenieurssohn mithalten. In seinem Stammlokal orderte er regelmäßig Champagner und Cocktails. Im September 2002 wollte er offenbar an das ganz große Geld und plante die Entführung. Das Opfer kannte er: Bankier Metzler war Mäzen der Eintracht; und Magnus G. Präsident eines Fanclubs, dem auch Jakobs Bruder angehörte. Von dem Lösegeld nahm G. am 28. September 10.000 Euro und kaufte für sich und seine Freundin Flugtickets zu den Kanarischen Inseln. 3.000 Euro zahlte er auf sein überzogenes Konto ein. Gegen eine Anzahlung von 700 Euro bestellte er sich in in Aschaffenburg einen Mercedes – einen Tag nach Jakobs Tod.
Magnus G. aus Sachsenhausen: ein Killer? Die ihn kennen, können das kaum glauben. Die Lehrer des Gymnasiums nicht, das Magnus G. besucht hatte. „Unauffällig“ sei er gewesen. Und nicht der Pfarrer, um dessen Jugendgruppe sich der mutmaßliche Mörder „vorbildlich gekümmert“ habe, „Maggi“ riefen ihn die Kinder. Er spielte gerne mit kleinen Jungs Fußball. Pädophil veranlagt sei Magnus G. vielleicht, heißt es. Einen „netten Jungen von nebenan“, nennt ihn sein Anwalt Hans Ulrich Endres. Für den Advokaten passen Tat und mutmaßlicher Täter noch immer nicht zusammen – trotz der Geständnisse. Magnus G. werde auch im Prozess aussagen, erklärte Endres. Der Mann wisse, was er tue. Er sei ja Jurist.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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