: Gefahr von Strommasten?
Eine große Leukämiestudie ergibt: Das Leukämie-Risiko kommt nicht vom Atomkraftwerk Krümmel, sondern von Holzschutzmittel, Mücken-Giften und vielleicht sogar auch von Strommasten
taz ■ Jahrelang haben Leukämie-Erkrankungen bei Kindern in der Elbmarsch für Schlagzeilen gesorgt. Die Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake hatte vor Jahren behauptet, sie hätte den Zusammenhang mit der radioaktiven Strahlung aus dem AKW Krümmel nachgewiesen. Aber das Atomkraftwerk kann dafür nicht verantwortlich gemacht werden, wie eine große Studie unter der Leitung des Bremer Sozialmediziners Eberhard Greiser jetzt ergeben hat. Greiser stellte die Ergebnisse gestern vor: Mögliche Verursacher sind Holzschutzmittel, Mücken-Gifte.
„Das Kernkraftwerk Krümmel scheidet als Verursacher der Leukämie-Häufung in der Elbmarsch aus. Alle durchgeführten Analysen ergeben keinen verwertbaren Hinweis auf ionisierende Strahlen als Ursache“, formulierte der Gutachter auf einer Pressekonferenz des Kieler Umweltministeriums. Greiser leitet das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS).
Die Ergebnisse der Analysen sind allerdings außerordentlich beunruhigend: Es zeigen sich für Leukämien wie für Lymphdrüsenkrebs starke und statistisch signifikante Erhöhungen der Erkrankungsrisiken, die zum Teil auf Steigerungen um über 100 Prozent hinauslaufen. Diese Befunde zeigten sich sowohl bei der beruflichen Anwendung von Holzschutzmitteln und Insektiziden als auch im Haushalt. Im Visier sind beispielsweise auch Elektroverdampfer, vor denen Greiser ausdrücklich warnte: „Elektroverdampfer gehörten verboten. Zum Mückenschutz im Sommer reicht ein Mückenschutzgitter vor dem Fenster, ohne dass man dabei ein Leukämierisiko eingeht.“
In vielen Haushalten erkrankter Menschen wurden auch Messungen von elektromagnetischen Feldern durchgeführt, weil auch diese in Verdacht geraten waren, das Leukämierisiko zu erhöhen. Energieversorgungsunternehmen lieferten – wenngleich manchmal widerstrebend – Daten über Hochspannungsleitungen. Die Auswertungen zeigen für Männer ein erhöhtes Leukämie-Risiko im 100-Meter-Umkreis um Hochspannungsleitungen, jedoch nicht für Frauen. Insgesamt könne ein Erkrankungsrisiko durch elektromagnetische Felder aus der Umwelt nicht ausgeschlossen werden.
Anlass für die größte deutsche Studie über die Ursachen von Leukämie und Lymphdrüsenkrebs war, dass seit 1989 auffällig viele Kinder in der Gemeinde an Leukämie erkrankten, die dem Kernkraftwerk Krümmel gegenüber liegt. Dieses sogenannte Leukämie-Cluster war vom Deutschen Kinderkrebsregister als die weltweit grösste regionale Häufung von Kinderleukämien bestätigt worden. kawe