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Archiv-Artikel

IWF zerkratzt Clements rosa Konjunkturbrille

Neben internen Problemen sprechen auch die Rahmenbedingungen dafür, dass die rot-grüne Prognose zu hoch greift

BERLIN taz ■ Ganz so einfach wird Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wohl nicht davonkommen. Auf die niederschmetternde Prognose der EU-Kommission zum Wirtschaftswachstum in Europa und speziell in Deutschland am Dienstag hatte er noch nonchalant mit der Empfehlung reagiert, „gelegentlich die Augen wieder aufzuschlagen“ und von den Amerikanern zu lernen, die Welt „rosiger zu sehen“. Als gestern klar wurde, dass auch der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Vorhersage für die deutsche Wirtschaftsentwicklung in seinem turnusmäßigen Weltwirtschaftsbericht zurückschrauben würde, ruderte Clement jedoch zurück. Er schloss nicht mehr aus, dass auch die Bundesregierung ihre eigene Prognose bald revidieren könnte.

Der IWF hatte seine Wachstumserwartung für das laufende Jahr in Deutschland von 2,0 auf nur noch 0,5 Prozent zurückgenommen. Für die Eurozone prognostiziert er nur noch 1,1 statt 2,3 Prozent. Damit sieht er die Entwicklung nur wenig entspannter als die EU-Kommission, die für Deutschland 0,4 und für die Eurozone 1 Prozent vorhersagt. Die Bundesregierung hatte Anfang des Jahres im Jahreswirtschaftsbericht eine Wachstumsprognose von 1 Prozent ausgegeben, an der sie bislang eisern festgehalten hatte. Inzwischen ist aber aus dem Umfeld immer öfter zu hören, dass intern längst klar sei, dass diese Zahl nicht zu halten ist. Noch nicht klar sei aber, wie weit sie abgesenkt werden müsse. Offiziell überprüft die Bundesregierung ihre Erwartung vor der Steuerschätzung im Frühjahr.

Hintergrund für die immer weiter verschlechterten Aussichten für Deutschland sind nicht nur interne Probleme wie die ungebremste Erwerbslosigkeit oder die hohe Abhängigkeit vom Export, dessen Dynamik durch den starken Euro ins Stocken geraten könnte. Auch für die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sieht der IWF „erhebliche“ Risiken, die die zuletzt vorhergesagte Erholung verzögern könnten. Auch hier stufte er seine Erwartungen zurück und geht nun von einem Gesamtwachstum von 3,2 Prozent aus. Das ist ein halber Prozentpunkt weniger als vor einem halben Jahr.

Zu den genannten Risiken gehören vor allem die diversen Unsicherheiten über die Entwicklung in den USA: Was kostet der Irakkrieg letztlich? Muss deswegen das Haushaltsdefizit weiter ausgebaut werden? Was folgt aus der geplatzten Börsenblase? Wie entwickelt sich der Verbrauch der privaten Haushalte? Und ein anderer Motor für die Weltwirtschaft ist weiter nicht in Sicht. In Japan erkennt der IWF „kein Ende der Talsohle“. Schwaches Wachstum und Deflation würden anhalten, heißt es. Die Aussichten für die Schwellenländer sind dagegen gemischt: Hohem und stabilem Wachstum in Asien stehen Krisen in Lateinamerika gegenüber. BEATE WILLMS