Dem Zugpferd von VW geht die Puste aus

Die Absatzprobleme mit dem neuen Golf V machen dem Gesamtkonzern zu schaffen. Der Erfolgsbonus wird gekürzt

HANNOVER taz ■ Für Volkswagen sind die fetten Jahre vorbei. Wenn Europas größter Autobauer kommende Woche die vorläufigen Geschäftszahlen 2003 bekannt gibt, wird das operative Ergebnis auch offiziell von 4,8 Milliarden Euro 2002 auf 2 Milliarden geschrumpft sein. Grund genug für das Unternehmen, den Erfolgsbonus zu kürzen.

Das Problem liegt vor allem beim neuen Golf V, dem Flaggschiff. Knapp 110.000 Stück wurden von dem hoch gelobten neuen Modell im ersten Produktionshalbjahr hergestellt. Ursprünglich sollten es schon bis Ende 2003 135.000 sein. Als wäre er bereits ein Auslaufmodell wird der neue Golf seit einer Woche nun im Sonderangebot verkauft: Offiziell aus Anlass des 30. Geburtstags des Golf I, der einer ganze Pkw-Klasse den Namen gab, wird der Golf V bis Ende September ohne Aufpreis für die Klimaanlage angeboten – der Kunde spart immerhin 1.225 Euro. Selbst das Versandhaus Quelle will den Golf zum Monatsende aus dem Sortiment nehmen und stattdessen den Konkurrenten Golf Astra anbieten. Anstelle der erwarteten mehreren hundert Golf V konnte Quelle nur etwa 30 verkaufen.

Volkswagen hält sein offizielles Ziel, 600.000 Golf V abzusetzen, zwar aufrecht, macht das Erreichen dieser Marke aber von einen Anziehen der Konjunktur abhängig. Mittlerweile will der Autobauer einzelne Teile der Belegschaften über Ostern sogar in Sonderurlaub schicken. In Wolfsburg, Emden und im sächsischen Mosel soll in der Karwoche die Produktion ruhen.

Die sinkenden Gewinne des Autokonzern bekommen die Mitarbeiter auch im Portmonee zu spüren: Der Erfolgsbonus von 3.500 Topmanagern wird sich mehr als halbieren. Auch der traditionell im Mai ausgezahlte Erfolgsbonus für normale Mitarbeiter wird geringer ausfallen.

VWs Probleme mit dem Golf haben mehrere Gründe. Im wichtigen Exportmarkt USA macht den Wolfsburgern der Höhenflug des Euros zu schaffen, gegen den man sich schlecht abgesichert hatte. In Deutschland leidet VW unter der Absatzkrise der gesamten Branche: Im Januar sank die Zahl aller neu zugelassenen Pkws um 9 Prozent.

Die Kaufzurückhaltung der Bundesbürger hängt mit den Mehrausgaben für Gesundheit und der Unsicherheit bei Einkommen und Altersversorgung zusammen. Als Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) noch Ministerpräsident in Niedersachsen und Volkswagen mehr als dem Bundesverband der Deutschen Industrie verbunden war, führte er noch gern den Satz im Munde: „Autos kaufen keine Autos.“ Mittlerweile liegt ihm der Gedanke, die Konsumnachfrage zu steigern, ferner als der Mond. Verschärfend für VW kommt hinzu, dass auch die Modellpolitik des Konzerns quer zur neuen deutschen Sparsamkeitswelle liegt. Mit dem Wohlstand seiner Mittelschicht- oder Normalverdiener-Käufer ist auch der Golf über die Jahrzehnte hin gewachsen. Der nun 30 Jahre alte Golf I hatte gerade mal die Ausmaße eines heutigen VW Polo.

Investiert hat Volkswagen im letzten Jahrzehnt zudem vor allen in neue Luxusmodelle. Der Chef des VW-Betriebsrats, Klaus Volkert, sieht seit langen in Europa „eine deutliche Abschwächung verfügbarer zahlungskräftiger Nachfrage“ und verlangte schon vor Monaten, „die Modellpalette den überaus schwierigen Rahmenbedingungen anzupassen“. JÜRGEN VOGES