: Konzept statt Soul
Der Pianist und Keyboarder Joe Sample spielte solo auf dem Steinway im Sendesaal von Radio Bremen. Und verschaffte unterhaltsame Einblicke in die Sozialgeschichte des Jazz
Die Mafia hat sich große Verdienste für die „Black Music“ erworben. Sie unterstützte in den 20er und 30er Jahren afroamerikanische Musiker – und ist sogar für eine Stilform des Jazzpianos verantwortlich. Denn in den illegalen Flüsterkneipen musste alles sehr leise zugehen. Damit die Polizei draußen nicht mithören konnte, entwickelten die Pianisten das „soft playing“.
Der „Boogie Woogie“ entstand etwas später aus genau entgegengesetzten Gründen, denn wenn ein einzelner Musiker auf seinem Piano so viel Radau machen konnte, wurde er alleine engagiert. Der handfeste Vorteil des Solo-Auftritts: Er musste sich die Gage nicht mit anderen Bandmitgliedern teilen.
Wohl kaum einer im Publikum des ausverkauften Sendesaals hatte sich träumen lassen, dass er bei einem Piano-Solo-Konzert solche amüsanten Einblicke in die Sozialgeschichte des Jazz bekäme. Aber Joe Sample bot statt des Souljazz, den man vom Gründungsmitglied der „Crusaders“ erwartet hätte, ein „Konzept-Konzert“.
Nichts weniger als eine Lektion in klassischer schwarzer Musik also, zur Hälfte live am Mittwochabend im Nordwestradio gesendet. Und diese knappe Stunde Sendezeit war so genau durchkalkuliert und getimt, dass sie von Sample bestimmt extra für eine Radiosendung in den USA einstudiert wurde. Der Pianist erzählte ein wenig, und spielte dann Ragtime, Boogie Woogie oder Sets einzelner stilbildender Musiker wie Jelly Roll Morton, James P. Johnson, Fats Waller und Duke Ellington.
Dabei drohte sein pädagogischer, ja fast literarischer Ehrgeiz den musikalischen zu übertrumpfen. Oft war die Ansage so lang wie das Musikstück. Sample ging es an diesem Abend offensichtlich nicht darum, seine eigene Virtuosität darzustellen: Er wollte dasPublikum nicht begeistern. Sondern unterhaltsam belehren. Wilfried Hippen