: Nachwachsendes ins Getriebe
Eine neue Generation umweltfreundlicher, abbaubarer Schmierstoffe auf der Basis von Raps- und Sonnenblumenöl bringt Bewegung in ein großes Marktsegment, das bisher fast nur Mineralöle verwendete. Einsatzfähig ist es in fast allen Bereichen
VON DIERK JENSEN
Rapsöl könnte als Grundsubstanz von Getriebe- und Hydraulikölen in Traktoren, Ernte- und Baumaschinen bald so selbstverständlich sein wie Olivenöl in der mediterranen Küche. Zumindest gibt der weltgrößte Traktorenhersteller John Deere für seinen Maschinenpark in den nächsten Monaten grünes Licht für einen Bioschmierstoff der neuen Generation. „Das Universal-Traktorgetriebeöl Bio-Hy-Gard II erfüllt alle technischen Anforderungen unseres Konzerns und kommt dem Eigenschaftsprofil vergleichbarer Mineralprodukte ziemlich nah“, so Axel Kunz vom John Deere Werk in Mannheim.
Nach zeitaufwändigen Labor- und Feldtests stellte sich heraus, dass der neu entwickelte Schmierstoff auf Rapsölbasis die technischen Schwächen der Vorgängergeneration überwindet: Das kombinierte Getriebe- und Hydrauliköl mit 75 Prozent Rapsölanteil hat inzwischen eine oxidative Stabilität, die der mineralischen Konkurrenz ganz dicht auf die Pelle rückt. Die eigentliche Innovation liegt in der Veränderung der so genannten Additive. Diese werden dem nativen Öl beigemischt, um den technischen Anforderungen in Hydraulik, Getriebe und Bremsen zu genügen.
„Bei der Entwicklungsarbeit an einer zinkfreien reibungsmindernden Additivkomponente zur Unterdrückung von Bremsgeräuschen haben wir gesehen, dass weiteres Potenzial für nochmals verbesserte Umwelteigenschaften vorhanden ist“, sagte Tribologie-Experte Kunz auf der VDI-Tagung Landtechnik 2003 in Hannover. Aber nicht nur technisch sind Fortschritte zu verzeichnen. Darüber hinaus liegen die Preise nicht mehr exorbitant höher als bei konventionellen Schmierstoffen: „nur“ doppelt so hoch. Nicht zuletzt deshalb erwarten die Entwickler bei ihren Kunden eine hohe Akzeptanz. Immerhin wählten bisher rund zehn Prozent der John Deere Traktorkunden den Schmierstoffvorläufer des Bio-Hy-Gard II.
Der Wechsel zu Schmierprodukten aus mindestens 50 Prozent nachwachsenden Rohstoffen – überwiegend aus Raps – wird seit Beginn 2001 vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) finanziell unterstützt. Die politische Absicht ist klar definiert: Einerseits will man umweltfreundliche Produktalternativen und vom Erdöl unabhängige Stoffkreisläufe in den Markt heben, andererseits aber auch neue Wertschöpfung auf heimischen Äckern initiieren. Im Rahmen ihres Markteinführungsprogramms Schmierstoffe fördert die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) die Umstellung: 4 Euro gibt es derzeit für jeden Liter Getriebeöl, 3,20 Euro für Hydrauliköle, 3 Euro für Motorenöle, zudem erhalten Antragsteller, ob nun Baufirmen, Land- und Forstwirte oder Privatleute, eine Umölungspauschale von 240 Euro. „Mittlerweile sind mit dem laufenden Förderprogramm fast 1.680 Maschinen umgerüstet worden“, berichtet Gabriele Peterek von der FNR im mecklenburgischen Gülzow. So flossen beispielsweise etwa 1.000 Tonnen Hydrauliköle in Bagger, Traktoren & Co. Ein großer Erfolg, wenngleich der Marktanteil noch bei wenigen Prozentpunkten liegt.
Über die Hälfte aller Antragsteller kommt aus der Bauwirtschaft. Wie die Firma Claus Alpen in Neustadt in Holstein, die mit 350 Angestellten die zweitgrößte ihrer Branche im nördlichsten Bundesland sind. Peu à peu sind die verschiedenen Bagger-Typen umgeschmiert worden. „Das Ganze ging viel einfacher, als wir vorher je gedacht haben“, zeigt sich der technische Leiter Hartmut Michalzik positiv überrascht. Mit dem Bioschmierstoff in den Baumaschinen erhofft sich das mittelständische Unternehmen in Zukunft Wettbewerbsvorteile bei Bauausschreibungen der öffentlichen Hand, die bei Projekten in naturräumlich sensiblen Bereichen und im Zuge des Agenda-21-Prozesses den Einsatz nachhaltiger Schmierung vorschreiben wird.
Dies gilt sicherlich auch für den Forstbereich, wo nach Aussage von Experten mittlerweile schon jede dritte Ernte-, Rücke- und Verlademaschine ohne konventionelle Mineralölprodukte arbeitet. Sollte es zwischen Tannen, Fichten und Buchen tatsächlich zu einer Leckage kommen, so besteht keine Gefahr für die sensiblen Waldböden. „Die Forstfahrzeuge zeigen bei uns im Kundendienst und bei Ölwechseln keinen großen Unterschied zu herkömmlich Geschmierten“, bestätigt Gerhard Knaus, der sich als Werkstattleiter der baden-württembergischen Firma Waldburg Forstmaschinen mit der Schmierpraxis sehr gut auskennt.
Die meisten Antragsteller kommen bisher aus den Branchen Bau und Forst, gefolgt von Landwirtschaft, Gartenbau und Kommunalwirtschaft. Eine wachsende Rolle spielt in letzter Zeit die Schmierung von Aufzügen. Dabei sind Schmierstoffe vom Acker, die als wasserabbaubare Substanz in die Wassergefährdungsklasse WGK I eingestuft werden, mittlerweile auch in Wasserkraftwerken, großen Sperrwehren und nicht zuletzt in Windkraftanlagen im Einsatz. So auch in denen von Landwirt Peter Lorenzen nahe der deutsch-dänischen Grenze, der als Mitgesellschafter einen 7,5 Megawatt großen Windpark betreibt. Lorenzen und seine Windparkkollegen haben ihre Windmühlen der Firma GE Wind aus Salzbergen auf Getriebeöl auf der Basis nachwachsender Rohstoffe und damit mit einem CO2 mindernden Effekt umgestellt. „Das macht doch Sinn, wenn wir ein Getriebeöl verwenden, das letztlich auf unseren eigenen Äckern heranwachsen kann“, unterstreicht Lorenzen. Dabei ist der Einsatz von biogenen Schmierstoffen zukünftig in allen Bereichen denkbar: Auf Offshore-Windkraftanlagen, bei der Bahn und vielleicht irgendwann auch in stinknormalen Autos.
Infos zum Förderprogramm der FNR unter www.bioschmierstoffe.info. Dort sind unter der Rubrik Positivliste alle Firmen zu finden, die Bioschmierstoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe herstellen beziehungsweise vertreiben