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Archiv-Artikel

Straf-Deal kommt ins Gesetz

Rot-Grün plant Novellierung der Strafprozessordnung. Absprachen über das Strafmaß werden erstmals gesetzlich geregelt. Verteidiger bekommen mehr Rechte, Zeugen sollen geschont werden

Das Ausdealen eines Urteils gilt immer noch als anrüchig: Das gibt Diskussionen

VON CHRISTIAN RATH

Strafrechtsreform einmal andersherum. „Das ist die erste Reform des Strafprozesses seit dreißig Jahren, die nicht darauf abzielt, Rechte des Beschuldigten einzuschränken“, erklärte gestern Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Gemeinsam mit seinem SPD-Kollegen Joachim Stünker stellte er in Berlin den Diskussionsentwurf für eine rot-grüne Novelle der Strafprozessordnung (StPO) vor.

Zum ersten Mal sollen dabei Absprachen im Strafprozess gesetzlich geregelt werden. Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht können sich so auf ein bestimmtes Strafmaß einigen, wenn der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten ganz oder teilweise gesteht. Voraussetzung soll sein, dass die so ausgedealte Strafe „schuldangemessen“ ist und dass außerdem die Absprache im Prozess öffentlich gemacht wird.

So spektakulär das klingt – in der Sache ist dies nichts Neues. Vielmehr soll nur die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Gesetz festgeschrieben werden. Dennoch wird dieser Teil der Reform vermutlich die meisten öffentliche Diskussionen auslösen, denn das Ausdealen eines Urteils gilt weithin immer noch als anrüchig. Gerichte und Staatsanwaltschaften nutzen das Instrument aber gern, um komplizierte Prozesse mit unsicherem Ausgang abzukürzen. Die Angeklagten können im Gegenzug mit einer relativ milden Strafe rechnen.

Eigentliches Ziel der Reform ist, den Strafprozess „schneller und effizienter“ zu machen, „und zugleich Rechte der Beteiligten zu verbessern“, so Montag. So soll die Verteidigung (und auch das Opfer als Nebenkläger) schon bei Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft ein Frage- und Antragsrecht erhalten. So sollen unnötige Anklagen vermieden und Zeugen entlastet werden. Denn wenn die Verteidigung von diesem Recht Gebrauch gemacht hat, sollen im Gegenzug viele Zeugen vor Gericht nicht mehr erscheinen müssen, weil einfach ihre früheren Aussagen verlesen werden.

Für Vernehmungen bei der Polizei sollen diese Mitwirkungsrechte jedoch nicht gelten. „Der organisatorische Aufwand bei der Polizei, aber auch bei den Anwälten wäre zu hoch gewesen“, argumentiert Jerzy Montag.

Ein wichtiges Detail haben die Grünen bei Terrorverfahren nach Paragraph 129a herausgehandelt. Bisher mussten Gespräche mit dem Verteidiger hier generell durch eine Trennscheibe geführt werden, um die Weitergabe von Kassibern oder Waffen zu verhindern. Künftig soll die Trennscheibe nur noch nach richterlicher Anordnung Pflicht sein. Außerdem wird der Ausschluss von Verteidigern aus 129a-Verfahren erschwert. Wie bei anderen Verfahren ist künftig ein dringender Verdacht der Tatbeteiligung erforderlich.

Die jetzt vorgestellten Grundzüge einer rot-grünen StPO-Reform sind bereits mit Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) abgestimmt und sollen Anfang März beim Strafverteidigertag in Karlsruhe und im Herbst beim Deutschen Juristentag diskutiert werden. Ein erstes Eckpunkte-Papier hatte bereits Zypries’ Vorgängerin Herta Däubler-Gmelin im Jahr 2001 vorgelegt. Der Gesetzentwurf soll erst Ende des Jahres ins Bundeskabinett gehen. Offensichtlich rechnen Stünker und Montag mit intensivem Diskussionsbedarf.