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Archiv-Artikel

Tod eines Hoffnungsträgers

In Nadschaf wird der schiitische Geistliche al-Choei ermordet, der nur eine Woche zuvor aus dem Exil zurückgekehrt war. Aus geplanter Versöhnungsgeste wird ein Racheakt

BERLIN taz ■ Die Zukunft des Irak hat noch nicht begonnen, da ist bereits einer ihrer Hoffnungsträger tot. In der südirakischen Stadt Nadschaf wurde am Donnerstag der angesehene schiitische Geistliche Abdul Madschid al-Choei ermordet.

Der Geistliche, der dem oppositionellen Koordinationskomitee angehörte, war er erst vor einer Woche unter dem Schutz von US-Einheiten aus dem Londoner Exil zurückgekehrt. Wer hinter der Tat steckt, ist unklar.

Al-Choei traf sich am Donnerstag mit einem Vertreter des irakischen Ministeriums für Religiöse Angelegenheiten in der Moschee Imam Ali, die eines der bedeutendsten Heiligtümer der islamischen Welt ist. Das Treffen zwischen al-Choei und Haidar Kelidar, der ebenfalls getötet wurde, war von hoher symbolischer Bedeutung – nichts weniger als ein Zeichen der Versöhnung statt der Rache sollte damit gesetzt werden. Eine aufgebrachte Menge habe sich aber wegen seiner Verwicklungen in das irakische Regime auf Haidar Kelidar gestürzt, so ein Neffe des Geistlichen. Als al-Choei die Angreifer zurückdrängen wollte, sei auch er angegriffen und in Stücke gehackt worden.

Augenzeugenberichten zufolge wurden die beiden Geistlichen jedoch Opfer eines Racheakts von Anhängern des Geistlichen Mohammed Sadiq as-Sadr, der 1999 zusammen mit seinen Söhnen in Nadschaf ermordet worden war und dessen Familie zu den Gründern der oppositionellen Dawa-Partei gehörte. Beobachter wollen auch Rivalitäten um die heiligen Stätten von Nadschaf nicht ausschließen.

Al-Choei galt als Mann des Ausgleichs. Gleich bei seiner Ankunft in Nadschaf vermittelte er zwischen lokalen Geistlichen und den US-Truppen, um eine Stürmung der Moschee, in der sich Saddam-Anhänger verschanzt hatten, zu verhindern. Der derzeitige oberste Würdenträger, Ajatollah Ali al-Sistani, revidierte eine Fatwa, in der er zum Widerstand gegen die Besatzer aufgerufen hatte.

Mit Misstrauen hat der in Teheran ansässige Hohe Rat für islamische Revolution im Irak (SCIRI) die Rückkehr von al-Choei verfolgt. Der Rat erhebt einen Alleinvertretungsanspruch für die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak. Ob er diese Aufgabe erfüllen kann, ist wegen seiner zwielichtigen Rolle bei der Niederschlagung der schiitischen Aufstände 1991 fraglich. Al-Choeis Vater wurde damals unter Hausarrest gestellt und starb ein Jahr später. INGA ROGG