piwik no script img

Archiv-Artikel

Zyperns Einheit in Sichtweite

Überraschend einigen sich Griechen und Türken auf den UN-Plan, die Insel wiederzuvereinigen. Referendum für April geplant. Ganz Zypern könnte damit am 1. Mai Mitglied der EU werden

ISTANBUL taz ■ Nach jahrzehntelangen Blockaden ist jetzt in New York erstmals ein substanzieller Durchbruch auf dem Weg zu einer Wiedervereinigung des geteilten Zypern gelungen. Nach tagelangen zähen Verhandlungen unter dem Vorsitz von UN-Generalsekretär Kofi Annan haben die griechisch-zypriotische Regierung und die Vertretung der türkischen Zyprioten zugestimmt, ab 19. Februar auf der Basis des so genannten Annan-Plans in Nikosia weiterzuverhandeln. Dieser sieht einen Bundesstaat mit zwei weitgehend autonomen Kantonen vor.

Nach einem Vorschlag der türkischen Seite werden nun die beiden zypriotischen Parteien gemeinsam mit UN-Unterhändler Alvaro de Soto über noch offene Detailfragen diskutieren. Können sie sich nicht einigen, stoßen in einer zweiten Phase Mitte März Vertreter Griechenlands und der Türkei als Garantiemächte dazu. Wenn dann immer noch offene Streitpunkte bleiben, bekommt Generalsekretär Kofi Annan die Ermächtigung, einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten. Dieser würde dann im April in beiden Teilen Zyperns der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt. Wird der Plan akzeptiert, kann Zypern im Mai als wiedervereinigte Insel Mitglied der EU werden.

Beide Seiten waren zunächst mit großen Vorbehalten nach New York gereist, nachdem der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan Kofi Annan gebeten hatte, zu einer erneuten Verhandlungsrunde einzuladen, um doch noch vor dem EU-Beitritt Zyperns im Mai zu einer Einigung zu kommen. Nachdem beide Seiten erst einmal wieder ihre Vorbehalte gegen den Annan-Plan aufzählten, brachte in der zweiten Runde der türkische Delegationsleiter Rauf Denktasch völlig überraschend Bewegung in die starren Fronten. Denktasch legte einen Drei-Stufen-Plan vor.

Zuvor hatte es noch so ausgesehen, als wollte der Führer der türkischen Zyprioten die Verhandlungen erneut scheitern lassen oder zumindest den Zeitplan Annans ablehnen. In der Türkei war immer spekuliert worden, dass die Verhandlungen bis Ende des Jahres verzögert werden, um einen Zypern-Kompromiss erst dann einzugehen, wenn und falls die Europäische Union grünes Licht für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gebe.

Dass Denktasch unter dem Druck aus Ankara diese Linie aufgab, hat die griechische Seite offenbar völlig überrascht. Obwohl sie zuvor immer betont hatte, sie sei bereit, auf Basis des Annan-Plans zu verhandeln, verlangte sie jetzt, dass die EU als Organisation an den Verhandlungen beteiligt werden sollte. Dies lehnten sowohl die Türkei als auch Annan ab.

Der jetzige Kompromiss sieht vor, dass Kofi Annan bei einem möglichem Eingreifen Ende März auch die EU konsultiert. Denktasch gab sich vor den Mikrofonen in New York mit dem jetzt erzielten Ergebnis sehr zufrieden, während der griechische Präsident Tassos Papadopoulos aussah, als hätte er gerade in einen sauren Apfel gebissen.

Papadopoulos erklärte aber auch, dass die griechische Seite den Zeitplan einhalten wolle. Zugleich betonte er, dass die EU bei den Verhandlungen eine besondere Rolle spielen werde.

JÜRGEN GOTTSCHLICH