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Archiv-Artikel

Der Lauf bringt die Spielkultur

Der FC Schalke 04 nähert sich beim 2:0 Auswärtserfolg in Köln langsam auch spielerisch seinem Tabellenrang an. Der leidenschaftliche Tabellenletzte 1.FC Köln tritt dagegen auf der Stelle

AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT

Jupp Heynckes benutzt gerne Worte, die mit „-iert“ enden. Irgendwie klingen diese Ausdrücke akademisch, sie suggerieren, dass Fußball eine Wissenschaft ist, und das gefällt dem Trainer von Schalke 04. „Heute war unser Spiel ambitioniert, konzentriert, wir haben die Kölner dominiert und den Rhythmus diktiert“, analysierte Heynckes nach dem 2:0-Sieg ebenso errötet, wie zufrieden. So langsam sieht er seine Vorstellung von Fußball auf dem Platz verwirklicht. „Man sieht, dass jetzt Spielkultur da ist“, lobte er, und wer nur Heynckes‘ Hymne hörte, konnte fast glauben, hier handle es sich um eine richtig große Mannschaft. Dabei bereitete das Spiel der Kölner, für das Heynckes auch zwei „-iert“-Begriffe parat hatte, den Schalkern in der zweiten Halbzeit große Probleme. Der Tabellenletzte sei nach der Pause „engagiert und couragiert“ aufgetreten, aber so sei das eben bei Mannschaften, die mit dem Rücken zur Wand stehen.

Zwischen der Halbzeit und Michael Deluras 2:0 (81.) gelang den Gästen kaum ein gefährlicher Vorstoß, während Köln leidenschaftlich auf den Ausgleich drängte. Aber mehr als Zufallschancen im Schalker Strafraumchaos resultierte nicht aus der Überlegenheit, und so durfte man am Ende von einer reiferen Schalker Mannschaft sprechen, die kühl durch zwei Standardsituationen gewonnen hatte. Wie dem 2:0 war schon Nico van Kerckhovens 1:0 ein Freistoß von Sven Vermant vorausgegangen (25.). Der in die Mannschaft rotierte Kölner Kapitän Dirk Lottner hob das spielerische Niveau tatsächlich ein wenig an und ärgerte sich zu Recht: „Es ist unglaublich, wir haben Chancen ohne Ende und verlieren Spiele durch Leichtsinn bei Standards.“

So ist das, wenn ein Team einen Lauf hat, wie die Schalker im Augenblick. Seit sieben Spielen sind sie nun ungeschlagen, in der Rückrunde kassierten sie noch kein Gegentor, und die vier Auswärtssiege in Folge, die jetzt zu Buche stehen, stellen einen Rekord für die Schalker Bundesliga-Annalen dar. „Wir machen es jetzt wie Stuttgart“, verkündete Nico van Kerckhoven, der gemeinsam mit Thomas Kläsener eine bemerkenswert starke Innenverteidigung bildete, „wir stehen hinten gut und vorne fallen dann schon irgendwie die Tore“. Kennt man das nicht irgendwoher? Das klingt doch sehr nach den guten alten „die Null-muss-stehen-Zeiten“ unter Huub Stevens. Auf dem Platz jedenfalls brillierten einmal mehr Spieler, die noch von Stevens verpflichtet wurden: Niels Oude Kamphuis und Sven Vermant ordneten das Geschehen in der Mittelfeldzentrale, sie bilden gewissermaßen das Herzstück dieser erfolgreichen neuen Zeit.

Besonders der zweifache Vorbereiter Vermant, den Heynckes im Herbst noch aussortieren wollte, erhielt ein Sonderlob des Trainers. „Er hat für mich ein außergewöhnliches Spiel gemacht. Seine Spielintelligenz, seine Spielverlagerung waren von großer Bedeutung, und außerdem hat er sich auch in der Defensive richtig gut eingebracht“, meinte er. Dass Heynckes statt der kreativen Offensivkraft eines Hamit Altintop plötzlich den defensiveren Gestalter vom Typus Vermant heraushebt, hat vielleicht auch mit einem Anpassungsprozess des Trainers selber an die Verhältnisse in der Bundesliga und auf Schalke zu tun. Erfolgreich ist es jedenfalls.

Ganz anders als die verzweifelten Bemühungen der Kölner, ihr großartiges Stadion auch in der kommenden Saison mit Bundesliga-Fußball würdigen zu können. An diesem Nachmittag wurde wieder einmal deutlich, dass das Team an die Grenzen seines Potentials stößt. Sie hatten noch nicht einmal schlecht gespielt, waren wirklich engagiert aufgetreten, eine klar heraus gespielte Torchance gab es dennoch nicht. Wohl auch, weil Lukas Podolski seinen Zauber an diesem Nachmittag nicht entfachen konnte. Hoffnung macht dem Trainer lediglich, dass keine blinden Bälle mehr über das Mittelfeld geschlagen werden und die Defensivleute nun versuchen ein Kombinationsspiel durch das Mittelfeld einzuleiten. „Wenn wir weiterhin solche Fortschritte machen, werden wir auch irgendwann wieder Tore erzielen“, sagte Trainer Marcel Koller in Anspielung auf diese bescheidene Entwicklung. Er erinnerte in seiner Ratlosigkeit fast ein wenig an Friedhelm Funkel im vergangenen Herbst.