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Archiv-Artikel

Zwischen Recht und Angst vor Indoktrination

Bei einer „Kopftuch“-Diskussion in der Fachhochschule Köln prallen die Meinungen aufeinander. Die SPD-Politikerin Lale Akgün erwartet von einer Lehrerin, „dass sie während der 45 Minuten Unterricht auf ihr Grundrecht verzichtet“

KÖLN taz ■ „Kopftuch Raum 301“ steht auf den Wegweisern in der Fachhochschule Köln. Der Vorlesungssaal, zu dem sie führen, platzt an diesem Freitag Abend aus allen Nähten: Rund 150 Menschen sind zu der Veranstaltung mit dem etwas sperrigen Titel „Kopftuch: Ein theologisches Gebot des Islam? Religiöse Freiheit, Frauenrechte und Laizismus im Spannungsfeld“ gekommen.

So schlicht wie auf den Wegweisern will man das Thema hier allerdings nicht behandelt wissen. Auf dem Podium sitzen Prof. Beyza Bilgin, Theologin an der Universität Ankara, der Kölner Pfarrer und Leiter des Sozialwerks des evangelischen Stadtkirchenverbandes Uwe Becker und die Kölner Bundestagsabgeordnete Lale Akgün (SPD).

Die Grundlage für die Diskussion legt Beyza Bilgin mit einem Vortrag über die Frage, ob sich aus dem Koran ein Kopftuchzwang herleiten lässt: „Alles Auslegungssache. Man kann den Koran so oder so interpretieren. Leider wurde der Koran meist gegen die Frauen ausgelegt“, so ihr Fazit. „Das heißt aber nicht, dass ich eine Gegnerin des Kopftuchs bin. Für viele islamische Frauen ist es der Weg in die Freiheit. Nur so können sie in die Öffentlichkeit einen Beruf ausüben.“

Argumente wie diese lässt Lale Akgün im Streit ums Kopftuch im Klassenzimmer aber nicht gelten. An der Schule gehe es um die Abwägung verschiedener Grundrechte: das Recht auf positive, aber auch auf negative Religionsfreiheit der unterrichteten Kinder. Die Frage sei, wer sein Grundrecht in dieser Frage einschränken müsse. Die Antwort ist für die türkischstämmige Politikerin klar: „Von einer Frau, die in den Staatsdienst will, kann so viel Flexibilität erwartet werden, dass sie während der 45 Minuten Unterricht auf ihr Grundrecht verzichtet.“

Pfarrer Uwe Becker spricht sich klar dagegen aus, religiöse Symbole aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Er versteht die Aufregung um das Kopftuch in der Schule nicht: „Mir ist keine einziger Fall hier aus Köln oder in NRW bekannt, wo es Probleme deswegen gibt“, so Becker.

An diesem Punkt kommt Widerspruch aus dem Publikum. „Mein Kind wird an einer Kölner Schule von einer muslimischen Lehrerin mit Kopftuch unterrichtet und ständig indoktriniert“, berichtet die türkischstämmige Deutsche Fatos Evren. Elif Sat kontert: „Ein Kopftuchverbot wird fundamentalistische Islamistinnen nicht abhalten. Wer indoktrinieren will, tut das zur Not auch ohne Kopftuch.“ Die 19-jährige Frau, selbst mit Kopftuch, beklagt, dass ein Verbot wieder einmal nur die Frauen treffe. „Und wie will man einen fundamentalistischen Lehrer erkennen? Etwa an der Länge seines Bartes?“ Eine andere junge Frau meint: „Ihr wisst ja gar nicht, was diese Diskussion auslöst. Ich werde in Köln auf der Straße angespuckt, weil ich ein Kopftuch trage.“

Die Meinungen prallen auch an diesem Abend im Kölner Hörsaal hart aufeinander, wenn es um das umstrittene Stück Stoff geht. Männer rufen auf Deutsch und Türkisch dazwischen, eine ältere Frau hält ein Transparent mit der Aufschrift „Kopftuch – Nein“ in die Höhe. Am Ende scheint es, als seien die Beteiligten auf dem Podium froh, dass die Diskussion mangels Zeit abgebrochen werden muss. Auch Beyza Bilgin wirkt erschöpft, meint aber dennoch: „Ich finde es positiv, wie hier in Deutschland die Diskussion geführt wird.“ Jeanette Seiffert