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Archiv-Artikel

Erbschaftsteuern sollen steigen

50 Milliarden Euro kassieren die Nachkommen von ihren Verstorbenen – fast immer ganz legal am Fiskus vorbei

„Die Unterbewertung von Immobilien verletzt die Gleichmäßigkeit der Besteuerung“

HAMBURG taz ■ Erben ist steuerfrei, jedenfalls meistens. In einem gewöhnlichen Trauerfall langt der Fiskus nur zu, wenn der teure Verblichene seinen Lieben weit mehr als 1 Million Euro hinterlassen hat. Diese weitgehende Steuerbefreiung ärgert nun auch einige SPD-regierte Bundesländer im Superwahljahr 2004. Der Finanzminister im rot-grün regierten Schleswig-Holstein, Ralf Stegner (SPD), sagte der Financial Times Deutschland: „Wir wollen ein Zeichen setzen.“ Man müsse deutlich machen, „dass wir auch die Privilegierten an den Lasten beteiligen“. Mecklenburg-Vorpommern signalisierte bereits seine Zustimmung. Zu den Befürwortern einer Anhebung der Erbschaftsteuer gehört auch der saarländische SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas: „Wir dürfen bei den Reformen nicht immer nur Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger belasten“, sagte Maas der taz.

Wenigstens 3 Milliarden Euro treibt Finanzminister Eichel pro Jahr von Hinterbliebenen ein, Tendenz steigend. Allerdings muss Eichel das Geld an die Bundesländer weiterreichen, denn die Erbschaftsteuer ist eine reine Landessteuer. Dies wiederum erklärt das fordernde Interesse der Ministerpräsidenten – und die Zurückhaltung der Bundespolitik.

Betroffen von einer Verschärfung wäre sowieso nur ein kleiner Kreis – etwa 1,5 Prozent aller Privathaushalte in Deutschland werden nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) noch in diesem Jahr erben oder eine Schenkung erhalten. Imposanter ist schon der üppige Ertrag aus diesem Trauerspiel: Er beträgt rund 50 Milliarden Euro im Jahr – mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Um den Fiskus macht der Geldsegen jedoch einen weiten Bogen. Hilfreich dabei sind die weit bemessenen Freibeträge: Steuern zahlen ist hier etwas für künftige Millionäre. So muss eine vormals vierköpfige Familie frühestens bei einer Erbschaft über 1.184.901 Euro überhaupt Erbschaftsteuern an das Finanzamt abführen – und dann eine ganz geringe Summe.

Auch sonst gehe es ungerecht zu, meint Jürgen Schupp vom DIW in Berlin. „Die heutige Unterbewertung von Immobilien- und Betriebsvermögen verletzt die Gleichmäßigkeit der Besteuerung.“ Der Marktwert von Häusern werde zum Beispiel nur etwa halb so hoch bewertet wie ein entsprechender Geldbetrag, kritisiert der Experte. Dies sieht auch das Bundesverfassungsgericht so, das 2004 über die Bewertung der verschiedenen Vermögensarten entscheiden will.

Schleswig-Holstein hat bereits angekündigt, dass nach seinem Willen „Grundbesitz und Immobilien beim Vererben künftig ähnlich behandelt werden sollen wie Barvermögen“, so Stegner laut FTD. Doch auch hier ist die Abschwächung gleich mit eingebaut: „Normale Einfamilienhäuser werden von der Erhöhung nicht betroffen sein.“ Auch bei der künftigen Besteuerung von ererbtem Betriebsvermögen sollten die betroffenen Firmen nicht zu stark belastet werden.

Im internationalen Vergleich fallen die Erbschaft- und Schenkungsteuer in Deutschland „eher unterdurchschnittlich aus“, kritisiert Marc Szydlik, der ebenfalls an einer entsprechenden DIW-Studie mitgearbeitet hat. So greift in Deutschland der Spitzensteuersatz bei Ehepartnern und Kindern erst bei einem zu versteuernden Erbe von mehr als 20 Millionen Euro, während in Frankreich der viel höhere Spitzensteuersatz bereits bei weniger als 2 Millionen Euro zuschlägt. Unterm Strich zahlt daher jeder Bundesbürger durchschnittlich gerade einmal sagenhafte 37 Euro und 50 Cent Erbschaftsteuern.

Seit diesem Januar fallen wenigstens die Steuervergünstigungen für Betriebsvermögen etwas kleiner aus, was zu einem bescheidenen Plus in Eichels Kasse führen dürfte. Ursprünglich hatte die rot-grüne Bundesregierung noch bei ihrem zweiten Amtsantritt im Oktober 2002 auf einer wirklichen Reform der Erbschaftsteuer bestanden. Sollten diesen Worten irgendwann noch Taten folgen, täte sich die Regierung damit durchaus etwas Gutes. Denn zwei von drei befragten Bundesbürgern würden sich über eine hohe Erbschaftsteuer freuen.HERMANNUS PFEIFFER