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Archiv-Artikel

Ein Weitschuss zu viel

Werder verliert das Nordderby mit 1 : 2 – eigentlich besser zu sein, reicht für die Grün-Weißen nicht

Die Werder-Fans führen vor dem Anpfiff die Appeasement-Politik der beiden Vereine fort, die im Vorfeld zum Friedensgipfel von Sittensen geführt hatte, auf dem Tim Wiese und Ivica Olić das Kriegsbeil öffentlichkeitswirksam begruben. Sie winken den aufgeheizten HSV-Fans in der Nordgeraden aus ihrem kleinen Tortenstück der Volksbank-Arena mit lustigen grün-weißen Luftballons entgegen – die Botschaft: wir wollen ja nur spielen.

Das tut die Werder-Mannschaft in der ersten 20. Minuten dann aber so friedlich, dass jeder Zweikampf verloren geht und als einzige ernsthafte Waffe die Abseitsfalle ins Spiel gebracht wird. Tim Wiese, der die erwartete Antipathie des Publikums auf sich zieht, macht sich ausgerechnet dadurch beliebt, dass er einen Trochowski-Freistoß vor die Füße von Paolo Guerrero abklatschen lässt, der das Gastgeschenk dankbar annimmt. Eine Einzelaktion von Diego bringt die vorläufige Wende. Reinhardt foult ihn an der Strafraumgrenze und der Spielmacher beweist anschließend, dass nicht nur Ribery Freistöße zum richtigen Augenblick in den Winkel schlenzen kann. Dass er daraufhin sein brasilianisches Talent ausgerechnet vor ihrer Kurve auslebt, können die HSV-Fans, die mit ihren Brasilianern bislang nicht so viel Glück hatten, nicht verstehen und werfen mal wieder mit Gegenständen. Getroffen wird allerdings der jeder Provokation abholde Baumann, der kurz im Gesicht behandelt werden muss.

Jetzt läuft der Ball bei den Bremern auf einmal über mehrere Stationen, der sonstige Lethargiker Hunt wirbelt wie aufgedreht, die Kollegen Almeida und Pizarro schießen aus allen Lagen und Frings feiert seine Wiedergeburt als Leitwolf aus allen Lagen.

Schwachpunkt ist die linke Abwehrseite, wo Tosić immer wieder gefährliche Vorstöße zulässt und in der 75. Minute einen Gewaltschuss von Olić in den Winkel nicht verhindern kann. In der hitzigen Schlussphase können die Bremer ihre Überlegenheit nicht mehr in zwingende Chancen umsetzen. Sie treten den Heimweg im nagelneuen Mannschaftsbus an – und mit sechs Punkten Rückstand zum HSV. Es reicht eben nicht zu wissen, dass man eigentlich der Bessere ist. RALF LORENZEN